Zürich, 20. und 23. Februar 1777
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Philipp Christoph Kayser
Jakob Michael Reinhold Lenz (Emmendingen)
LKB
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Hab endlich wieder einmal eine Zeile von Dir gesehen und mich herzlich drüber gefreut. Und danke Dir für Deine Verse! sie haben mir wohl gethan, wie es nun so ein eigen Ding ist um das Liebhaben der Werke gewisser Menschen. Siehst Du so wolt ich was geben einige von Deinen alten Comödien deren Existenz und Namen ich weiss gelesen zu haben und wünsche mich Dir näher auch um das noch zu erhalten. Keine Schmeicheley lieber Bruder, ich bin davon entfernnt und ich sage Dir all Dein schriftstellerisch Treiben seit Menoza (die Freunde machen den Ph. ausgenommen) hat mir biss auf Dein leztes im Musem missfallen, und ich sehe nur immer den Menoza u. Hofmeister in Dir und liebe keinen Einsiedler pp und werde keinen lieben. – Wohl! wohl! ich komme weit im Text den kein Brief faßt – genug davon. – Componiren will ich Deine Sachen wenn ich mich angeweht
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fühle. Jezt nicht, vielleicht lang nicht.
Ich weis nicht was Du über Kleinjopp von mir forderst. Ich war ein einzig mal bey dem Menschen aber im Taumel und andem Gefühlen und würde auch nie ein Wort über solch einen Menschen wagen. Du bist bey Schlossern der bey ihm war und der Mann darzu ist Dir viel über ihn zu sagen. Es gibt so viel ich weiss keinen Menschen hier der was zu leisten im Stand wäre wenn Schlosser nichts kann. Ich will aber noch mit Lavatern drüber reden der heut nicht hier ist.
Adieu jezt. 20 Febr. Nachts.

Das ist traurig dass nichts von Gluck da sey. Kaufmann hat mir doch so was gesagt vom Singen der Mad. Schlosser dass ich vermuthete sie hätte was das ich noch nicht hab. Wann Du leichtsinnig über meine Wünsche weggehst oder mir vorent
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hälst, thust Du übel an mir!

Den 23.
Lavater sagt es gäb keinen Menschen der über Kleinjopp schreiben könnte. Partout keinen. Du solst kommen, 8 Tag ihn sehen und hören und alles was er sagte niederschreiben. So würd ers machen. Das einzige Mittel! und das glaub ich mit Lavatern. Auch solst Du wissen dass der Bauer keine Zeile schreiben kann. Ich wünschte Dir und andern dass Ihr endlich einmal aufhörtet zu idealisiren und in keines Menschen Seele glaubtet in so Fällen wie bei Kleinjopp der nichts weniger ist als
philosophischer
Bauer und Socrates. –
Provenienz
Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 32, Nr. 24.