Straßburg, Ende März 1774
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Jakob Michael Reinhold Lenz
Johann Caspar Lavater (Zürich)
LKB
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Hören Sie liebster Papa! ich habe eine Schrift von Ihnen gelesen die den Tittel führt … Keine Versöhnung geschieht ohne Blutvergiessen – – ich sag Ihnen nichts von den schönen Sachen die ich drin gefunden – selbst die Hauptidee die vielleicht manchen kalten Grübler erwärmen – – – aber mir gefällt es nicht, daß Sie unsern Gott wollen sterben lassen, weil es so seyn muß und in dem ganzen Naturreich alles Leben durch Tod eines andern erhalten werden muß
Wie wär es, wenn wir den Tod Christi vielmehr als ein Symbol und Vorbild von den Erfolgen unsrer Mor – – – oder Immoralität ansähen? Die Idee ist apostolisch, das weis ich, zweyten Thessalonicher lesen Sie nur. Christus war Gesetzgeber mehr durch sein Leben und Thaten als durch seine Worte. Er heilte Kranke mit seinem Athem, mit seinem Anrühren (hier kommen Sie mir zu hülfe) alles symbolisch ich bin der Herr dein Arzt nennt er sich im 2 Buch Mose und
ίησουσ
in den Evangelisten. Heißt: folgt ihr meinen Gesetzen voll Liebe, so verlieren sich, verschwinden alle Krankheiten Cörpers und Geistes (merken Sie wohl die unsaubern Geister) jenachdem ihr meinem Cörper
homogener
werdt (siehe Lavater)
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Das ist gelallt. Uebersetzen Sie es in Männersprache.
Ich küsse Ihnen die Hand für den Februar und bitte um weiters.
Adieu Adieu
JMRlenz
Provenienz
Zürich, Zentralbibliothek, RP 20, Nr. 19.