Zürich, 28. September 1777
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Jakob Michael Reinhold Lenz
Gertrud Sarasin (Basel)
LKB
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Ist es nicht eine Unglück theuerste Frau, daß ich Ihnen in einer Todesangst von Eile schreiben muß, da ich den bösen Füeßli nicht eher als eine kleine Weile vor Abgang der Post antreffen konnte. Die gegenwärtigen Bürgerlichen Unruhen in denen er eine Hauptrolle spielt, da er mit in der besonderen Commission gesessen, haben ihn, wie er sagt, ganz untüchtig gemacht an Sie zu schreiben, ich soll das gut machen, aber wie, da ich für eigene Sünden genug zu büssen habe. Künftige Woche setzt er sich hin, für Sie zu arbeiten und ich – stecke künftige Woche vielleicht in Appenzell. Wer wird mein Advokat seyn, daß ich solange anstehe, Ihnen meine Schuld abzutragen. Niemand als Ihr Herz das wenn es auch nicht sieht woran es liegt, doch glaubt daß es an zwingenden Hindernissen und weder an meiner Bereitwilligkeit noch an meinem Ernste gelegen. Ich bin ein Fremder, wie Schlosser sagt, unstet und flüchtig und habe soviele die mit mir unzufrieden sind. – Wenn Sie doch diesem guten unglücklichen durch einen Gruß das Herz ein wenig erleichtern könnten. Er kommt aufs Frühjahr in die Schweitz
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Frau Lavatern hat eine schlimme Woche gehabt, sehr gerührt von Ihrer Theilnehmung grüßt Sie Millionenmahl.
Ich habe wahrlich keinen Augenblick länger, darf ich – doch alles das bleibt bis auf den nächsten Brief den ich Ihnen in einer glücklichem Lage meines Kopfes und Herzens schreiben werde. Hier ist Hn. von Hallers Silhouette statt der Meinigen, die wie alle meine Schulden noch folgen soll.
Tausend Empfehlungen Ihren Kleinen und Herrn und Me. Hagenbach.
Der Magen? Ey seit wenn. Im nächsten Briefe folgt ein Rezept dafür und eine Vorschrift die Linien Ihrer Hand zu studiren.

Lenz

Zürich. D. 28sten Sptbr. 1777.
Provenienz
Basel, Staatsarchiv, PA 212 F 11, 27, 10, Nr. 9; auf dem gleichen Bogen wie: Basel, Staatsarchiv, PA 212 F 11, 27, 10, Nr. 10 (Brief gleichen Datums an Jacob Sarasin).