Zürich, 30. März 1787
Der Brieftext wurde sekundär überliefert.
Johann Caspar Lavater
Jakob Michael Reinhold Lenz (Moskau)
LKB
Lieber Lenz,
Dank für Deinen Brief, ohne Datum, samt den Beylagen von Silhuetten, die mich, schreklicher Zeitarmuth wegen2 weniger interessieren. Deine Urtheile als Charakter betrachtet, sind mir wichtiger. Denke nicht, daß ich Deiner vergessen.
Quem amavi, nunquam non amabo.

Hättest Du mir doch auch mehr von Dir, Deiner Person u: Lage, Deinem Thun und Leiden, Deinem Lieben u: Hoffen, Deinem Leben und Glauben Geschrieben.
Göethe
ist izt in Neapel oder Rom, und arbeitet an der neuen Ausgabe seiner Werke, die Er um die Hälfte vermehren will. Wenn Er bald herkömmt, will ich Deinen Auftrag mündlich ausrichten.
Etwas, was physiognomischen Linien ähnlich sieht, wird nun bald in Engeland von mir gedrukt.
Ich bin nun neben Pfeningern an der Peterskirche, welches ein traumähnliches Glük für mich ist. Mamma ist gesund. Mein Sohn studiert Medizin in Göttingen. Meine zwo Töchterleins machen mir täglich Freüde.
Meinen
Nathanael
für
Nathanaele
wünscht’ ich von einigen Christen in Deiner Gesellschaft gelesen.
a Dieu Lieber! Lieber wenig, als die antwort aufgeschoben. Küß' Deiner Stiefmutter in meinem Namen die Hand. Wills Gott! Kann ich Dir auch einmahl schreiben – „Land! Land! Land!“

Freytags nachts 12. Uhr.

Den 30. März, 1787.

Lavater.
Provenienz
Zürich, Zentralbibliothek, FA Lav. Ms. 572, Nr. 26 (zeitgenössische Abschrift).