Lenz! Du bist ’n braver Junge! Lieb’ Dich noch ’n mahl mehr seit den Wolken; kann’s aber doch nicht finden, daß Du durch
Ungerechtigkeit
gerecht handelst! .. und dann denken wir von Wieland
verschieden. Ich hab’ ihn noch nicht gesehn; also behalt ich mir Urtheil vor. Hätt’ ich ihn gesehn,
spräch’ ich ab. Hast Du ihn gesehn, gelte Dein Urtheil. Ich hab’ ihn wohl gesehn vor 20. Jahren; aber das war nichts. Ich halt’ ihn für das Reizbarste, wankelmüthigste – Geschöpfe, aber für keinen Heuchler; keine Schlange. wär ers – hohl’ ihn der Schlangenzüchter! Bitte, lieber Lenz – kämpfe, aber kämpfe mit wahrheit, und unterdrüke das Gute nicht! Hierauf hast Du mir nicht geantwortet. Sey so strenge Du sein willst; nur sey nicht ungerecht.
Kann ich lieber, weniger sagen?
Ich habe Paßavanten noch nicht gesehen. Aber ich weiß zum voraus, daß er noch gerechter ist, als ich. Er wird die Wolken nicht zum Druck befördern. Das weiß ich. Thut Ers, mag er! Ich bin rein.
Kannst’s läugnen, Bruder, daß W. unendlich viel um den deutschen
Geschmack
verdient hat. Und ist Geschmack
nicht Glückseligkeit?
– Sollst ihn nicht bessern, wenn Du ihn unverbeßerlich glaubst; aber sollst ihn auch nicht mit Füßen treten, der doch, hab er geschadet, so viel er will, so viel genützt hat, und so viel hat nüzen woIlen.
Wielanden fürcht’ ich nicht. Würd ers in meinem Sinne verdienen, und ich hielt ihn für unverbeßerlich; #
wenn die Wolken gedruckt werden!“
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Wielanden send’ ich sie nicht, ohne Deine Erlaubniß; obgleich tausend gegen Eins wette, daß Wieland, der Schriftsteller dadurch gebessert, und Wieland der Mensch nicht verschlimmert würde.
Dank für Herders Brief und die Nachricht.
Schreibst Du auf Erfurt, so laß Dir den
Abraham
senden. Nun kommts bald an den II. Teil der Physiognomik.
Stollberg hat mir die Schweizerlieder vollenden geholfen. Nun noch geistliche Lieder. – Dann noch eine kleine Reise auf Marschlins. Dann – verschlossen in die Physiognomik. Inzwischen –
Die Hieroglyphen sind im Folgenden aufgelöst, vgl. Haustein, Jens: Jacob Michael Reinhold Lenz als Briefschreiber. In: Stephan/Winter 1994, S. 337–352, hier S. 349:
Plan zu grossen allgegenwärtigen Würkungen-
Lindau hab’ ich angeworben.
Stolbergs werd ich anwerben.
Dein Brief an Kayser treflich!
Röderers Schuldner bin ich noch immer. Adieu.
J. C. L.