Straßburg, Ende November 1775
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Jakob Michael Reinhold Lenz
Friedrich Wilhelm Gotter (Göttingen)
LKB
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Sie sehen lieber Gotter! hier ein Stück wo alle Characktere gleichsam nur angedeutet sind, dem Schauspieler nur Winke geben was er zu thun habe und ihm auf keine Weise zuvorgreiffen. Ich habe alles wohl überdacht, es läßt sich nicht anders für ein heutiges Theater einrichten, es würde sonst zu lang, zu groß, zu unbändig. Wollten Sie den Herren vorschlagen einen Versuch damit zu machen, das Sujet ist wenigstens ganz neu und wie mich deucht geschickt genug die Talente eines Schauspielers zu üben. Die beyden Freunde handeln unendlich mehr als sie reden und ihr ganzes Spiel setzt langes Studium voraus. Zwey Leute die determinirt sind in allen Fährlichkeiten einander mit ihrem Leben beyzuspringen, müssen in jeder Bewegung in jeder Mine
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Enthusiasmus für einander weisen, sonst wird das ganze Spiel frostig und kalt. Auf diese kommt nun alles an, was das Stück heben oder fallen machen kann. Eben so enthusiastisch für seinen Sohn muß der Vater seyn, oder er wird abscheulich. Die Freude bey der Hofnung seinen Sohn wieder zu bekommen so ausschweiffend als die Wuth bey Fehlschlagung dieser Hofnung. Und das alles keine Grimasse unsers gleichgültigen Jahrhunderts, sondern wahres inniges Gefühl seyn. Unter diesen Voraussetzungen allein kann das Stück gefallen.
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am linken Rand der ersten Seite, vertikal
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Sechs Exemplare bitt ich mir aus.

Verzeyhn Sie mir meine lange Paranäse, ich weiß wohl daß der Dichter viel vom Schauspieler lernen muß, aber wiederum kann er doch dem Schauspieler am besten in den Standpunkt stellen aus dem er gearbeitet. Findt Herr Seiler es unspielbar, so lassen
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Fortsetzung am linken Rand, vertikal
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Sie es etwa drucken, es möchte doch wohl auch im Lesen hie und da gefallen. Lenz.
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am linken Rand der ersten Seite, vertikal
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Fortsetzung am linken Rand, vertikal
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Provenienz
Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Lenziana 5, Nr. 3. Lenz sendet das Manuskript der „Algierer“ mit.