Straßburg, Ende Februar 1776
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Jakob Michael Reinhold Lenz
Johann Caspar Lavater (Zürich)
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Weise diesen Brief nicht Bester, wie alle meine Briefe.



Lieber Lavater! mein Kopf ist eingenommen von tausend Dingen und ich kann Dir nichts weiter sagen, als ich liebe Dich, ich danke Dir. Hier ist der Brief von der C. Waldner
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(ihr Onkel ist Graf, sie nur Baronesse.)
kannst Du mirs verzeyhen daß ich, der vielleicht bald von hier reist, ihn erbrochen und mit meinem Siegel wieder zugesiegelt. Ich weiß wie innig sie Dich hochschätzt und ich wollte doch gern den Ausdruck davon lesen. Du mußt wissen, daß sie alle ihre Briefe französisch schreibt und ihr daher ein deutscher Brief an Dich nicht wenig Müh gekostet. Doch auch hier wirst Du ihre ganze schöne Seele finden die eben durch die für Dich so mühsam aufgesuchten Ausdrücke durchscheint, es ist die Sprache die nicht mit Worten redt Lavater, die Sprache die zwey befreundte Seelen stammeln die nicht von einer Nation sind. Ach wenn Du sie kenntest
Ich gehe wohin mich Wink der Vorsicht ruft, mein Ziel kann ich Dir noch nicht bestimmen. Ich kenne es und der Tod soll mir Bruder seyn, wenn er mich dahin führt. Grüß Kaysern, sag ihm, es ist mir unerträglich daß ich an ihn nicht schreiben kann, nicht kann, so wenig als an den redlichen Kaufmann. Ich habe keinen Augenblick zu feyren.
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sie hat ein Canonikat von dem sie sich schreibt. Sey vorsichtig.
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Doch beschwör ich den ersten bey Dir
bey dem lebendigen Gott:
und allem was ihm heilig ist, alles zu thun, was ich ihm gesagt habe. Stollberg schreibt mir aus Koppenhagen, schmachtet nach Nachrichten aus dem
„Gotteslande Schweitz und vom Gottesmann Lavater“.
Ganz Dein Lenz
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Provenienz
Zürich, Zentralbibliothek, RP 20, Nr. 13.