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Darf ich Sie bitten sich gegenwärtiges Gedichts bey unserm Freunde Boje anzunehmen das hoffentlich die Aergernisse die ich dem Publikum in Ansehung Wielands gegeben wieder gut machen und denen Beherzigungen selbst die mich gezwungen über die Schnur zu hauen und die ich in der Vertheidigung
dargelegt, mehr Gewicht geben wird. Sie als ein erfahrner Steuermann auf den Wogen desselben sowohl bey Sturm als Windstille,
müssen mich aufs halbe Wort verstehen.
Doch bitte ich vor allen Dingen Freund B. wenn ers ins Museum rückt, den Correktor anzuhalten daß ja kein Druckfehler unterschleiche. So bin ich neulich
erschrocken
über gewisse Sachen (besonders Verse)
die in der Schweitz von mir herausgekommen sind, die ich kaum selbst
verstund, geschweige wiedererkannteIch finde einen unaussprechlichen Reitz an der Einsamkeit, sie allein befriedigt alle meine Bedürfnisse doch find ich itzt Ihre Philosophischen Beobachtungen darüber mehr als
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jemals bestättigt. Ich wünschte von Herzen es erschiene einmal von einer Feder wie
die Ihrige eine Psychologische Diäthetick
für besondere Individiua und besondere Fälle in die sie gerathen können.
Unter diese mein Gönner! Gehört auch unser kranker liebenswürdiger Lindau von dem ich Ihnen doch sagen muß, daß ich ihn nicht ganz zu übersehen mich getraue, bis er ausgewirkt hat. Wer kennt alle die Keime in menschlichen Seelen – und kurz haben Sie die Gütigkeit, gegenwärtiges Brieflein, das ich ihm zur Ermunterung von verschiedenen seiner Freunde habe zusammenschreiben lassen, worunter Personen
von Gewicht sind
Herrn Stabss. Boje der mir das freundschaftliche Anerbieten gethan es zu besorgen, auf das angelegentlichste zu empfehlen.
Lenz.
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Ich hoffe zu Herrn Bojens Geschmack er werde der zwey Noten halben die das ganze Stück bey einer gewissen Gattung Leser an
denen ihm bey seinem Musäum doch am meisten gelegen seyn muß, am meisten heben
werden, keinen Anstand nehmen es einzurücken.
Die letzte scheint mir wegen einer gewissen Gattung neuer Schriftsteller die mit Wielands Manier wahre Abgeschmacktheiten sagen (so wie denn heut zu Tage jeder Mann von Werth seine Affen hat die sich dabey unvergleichlich befinden, derweil er die schwere Noth kriegen möchte und das Publikum wie ein Betrunkener nicht weiß hinter wen es taumeln soll)
mehr als zu nöthig,
doch kann es Herr B. darüber nach seinem Gutbefinden halten. Mich deucht er thut sich durch allzuviele Circumspecktion Schaden, sobald es Sachen gilt, worauf es was ankommt. Gerade da ist die größte Vorsicht oft die höchste Unvorsichtigkeit.