Berka, Ende November 1776 [empfangen am 4. Dezember]
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Jakob Michael Reinhold Lenz
Gottlieb Konrad Pfeffel (Colmar)
LKB
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Ich habe Ihren Brief und Nachricht einer Dame vom Hofe gegeben die ihn einer treflichen Dame von ihrer Bekanntschaft die eben mit ihrem Sohne zwischen Dessau und Salis unschlüssig war, zugeschickt hat. Verzeyhen Sie, daß ich in diesem Stück Ihre freundschaftliche Ordre überschritten, es war mein Herz das mir dazu rieth und dieses sündigt nie.
Ich bin der Jahreszeit ungeachtet noch immer auf dem Lande weil man mich in W. nicht brauchen kann. Neulich glaubte sich ein Franzose der sich
einen Zögling des grossen
Voltaire
sagte, seiner Sache schon gewiß, als er mit einem großen Empfehlungsschreiben vom Prinzen
 
 
 
 
aus Berlin, einem Verwandten unsers Hauses, worin derselbe den Geh. Legationsrath Goethe den deutschen Shakesp. und den teutschen Voltäre nannte und gegenwärtigen Fremden wegen
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seiner guten Sitten und Talente und Verse empfahl, sich meinem Freunde Goethe vorstellen ließ; weil unsere Einrichtungen aber nicht für Fremde sind, mußte der Zögling des grossen Voltaire mit Schimpf und Schande abziehn. Ich bitte diese Geschichte bekannt zu machen.
Meine wärmste Empfehlung Ihrem Freunde Lerse dessen wir uns mit Goethe oft erinnert haben. Wie soll ich Ihnen meinen Dank ausdrücken für die gefällige Beantwortung meiner fürwitzigen Fragen? Ich weiß nicht welchen Antheil ich an Frankreich
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nehme, dem ich doch keine Verbindlichkeiten habe und ganz gewiß auch keine haben werde. Es gehört aber wie besagt auch dieses unter die Rätzel meines Herzens die ich mir selbst weder auflösen kann noch mag.
Ich wollte Ihnen ein Exemplar
der beyden Alten und andrer kleiner Aufsätze
beylegen, wenn es sich der Mühe verlohnte. Ich erwähne dessen nur, weil die Vorlesungen in unsrer Teutschen Gesellschaft die ich Ihnen im Manuscript zugeschickt, darin abgedruckt worden. Sie ist gegenwärtig mit einer Oekonomischen Gesellschaft im Hause des Hn. V. Türkheim verbunden, nicht vereinigt worden. Eine ähnliche Gesellschaft unter Ihrer Aufsicht würde Colmar und Ihnen Ehre und die Hochachtung der Teutschen erwerben, bey denen der Nationalgeist rege wird. Ihr aufrichtigster Freund u. Verehrer
Lenz


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Herrn
Herrn Hofrath
Pfeffel

zu
Colmar.
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Empfangsnotiz am rechten Rand, vertikal
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Gottlieb Konrad Pfeffel
De Mr. Lenz.
San date acc: le 4 Xbr. 1776.
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Empfangsnotiz am rechten Rand, vertikal
right
Gottlieb Konrad Pfeffel
Provenienz
Marbach, Deutsches Literaturarchiv, A:Pfeffel, Gottlieb Konrad. Zugangsnummer HS.2005.0037.00004. Mediennummer HS001727339.