Göttingen, 26. November 1776
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Johann Gottfried Röderer
Jakob Michael Reinhold Lenz (Weimar)
LKB
Schriebs den 26 Nov. 76. Göttingen.



Lieber Liebster mein Einziger! ich hab hier Deinen 2t Brief vor mir und Du sollst meine Antwort auf den ersten schon lang haben die ich durch Hr. Legations Rath an Dich adressirt habe. Hier unten Abschrift davon. Mich drückt nichts als was Dich drückt und daß ich nicht helfen kann. Gott spreche Seegen über Dich! Der Instruktionen wegen will ich mit morgender Post nach Strasburg schreiben.
Ob ich Lessens Bekanntschaft gesucht habe? nicht gesucht und hab sie mehr als jede andre hier, ich suche hier keine kann aber durch Dr. Leß und wann Du Dich näher erklärst durch seine Frau die meine Landsmännin ist viel erfahren, aber ich sage nur was Du fragst. Durch sie komm ich in die besten Gesellschaften.
Ich weiß Boje’s Adresse nicht, weiß ihm auch nichts weder von Dir noch mir zu schicken. Gib mir nähere Nachricht ob ich Deinen lieben Bruder vielleicht hier sehn werde. Ein trefflicher junger Mann Prof. Koppe der in Mitau stund u. dort eine Landsmännin von Dir eine sehr liebenswürdige Person geheyrathet hat, liest hier über die Apostelgeschicht und Briefe. Er kennt Dich von Leipzig her da Du mit den Baronen warst, weis aber durch mich nichts weiter von Dir. Soll ich ihn grüßen?
Bürgers Meisterübersetzung kenn ich aus dem Musäum und werde sie so bald sie zu haben ist kaufen, hier Iab ich mich ander Odyssee u. lebe in der Urkunde die ich mitnahm und hier erst recht lese, hätten wir sie
ganz vor
der Ausgabe der Meynungen gelesen! Mit Deiner Abendmahlschrift werd ich sobald möglich viel sagen das ich auf der Leber habe nur wünscht ich mir mehr Feuer, Aktivität, Energie.
Walch ist mir hier der größte Mann bey dem ich
viel viel
lerne, der liebenswürdigste Menschenfreund voll Bonhomie mit ewigem Sonnenschein im Herzen, unaussprechlich thätig,
heiter wo
seine Bemerkungen haben durchdringenden Scharfsinn.

Nun die Abschrifft.

Abschrift des Briefes von Röderer vom Anfang November 1776:

Tausendmal dank ich dir für deinen Brief mein allerbester alter Freund, oder will dir vielmehr danken, dann wie neu geschenket bist Du meiner alten Liebe und da magst du besser ahnden was mein Dank sey als Dirs meine Feder sagt. Meine Studien gehn hier besser als je in St. und ich finde hier mehr als ich vermuthete. Es sind Professoren hier die ich herzlich lieben muß auch außer Ihnen ist der Kopf nicht allein der sich hier weyden kann
Von altem schweige, liebstes großes Herz! um was ich dich bitte ist Glaube an meine starke unvermögende Liebe. Wenn ich weiter nicht gehen kann, so komm ich doch nach Weimar, sollt ich auch zu Fuß gehen und mit Brod und Wasser mich nähren. Ich muß Luthers Bruder predigen hören, und die Männer sehen die mein Herz ehret, und dich umarmen zum lezten mal und dann will ich gern nach St. zurück und an den Pflug. Lang kann ich ohn das zu W. nicht weilen. Soll ich dir sagen daß ich den Pack von Pirk nicht bekommen konnte, ob ich gleich viermal zu ihm gieng, ohn’ ihn anzutreffen, und allemal zur Zeit wo man mich kommen hieß. Ich will aber nach Straßb. schreiben daß du sie bekommen sollst, nur sag mir: was eigentlich? Deine Briefe hab ich alle zu Hauß in einen meiner Sécrétair Schränke gelegt und die Thüre davor versiegelt. Ich werd sie dir aber alle schicken wenn ich wieder zu Hauß bin. Das Gräfliche Hauß von Stollberg unterhält hier eine Anzahl Pursche die Freitisch haben und der König auch. Könntest du wohl durch deine Vermittelung bey Erstern oder etwa bey Hr. Leibarzt Zimmermann mir zu einem Platz verhelfen? ich würde dadurch in Stand gesezt meinen mir sehr nützlichen Aufenthalt hier zu verlängern. Deinen Petrarch hab ich hier du sollst ihn haben so bald du willst. Ich verbleibe ewig dein Treuer zärtlicher Röderer P. S. Kaufmann
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ist alles Lobs werth und mein inniggeliebter! Willstu Maler Müllers Schattenriß, ich hab herrliche Tage mit Ihm zu M. gehabt . O der Antiquiensaal!! Zu Frankfurt hab ich die Ehre gehabt die Frau Rath Goethegesehen. Wagner ist verheyrathet. daselbst u. Advocat,
von Schloßer sehr geliebt, war mit zu Emmendingen.
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Provenienz
Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 32, Nr. 47.