Wenn Sie den Schluß recht lustig haben wollen so schreiben Sie mir wieder ein Brieflein kurz oder lang wies Ihnen gelegen ist, doch so, daß ich ihn in die wilden Alpengebirge bekommen kann in die ich mich jetzt zu vertieffen gedenke. Adressiren Sie ihn nur an Lavatern. Morgen früh reise ich ab. Als Ihr erster Brief an mich kam war ich in Schafhausen. Herr Schlosser. hat mir gar keine nähern Umstände von der Kindtauffe geschrieben und ich weiß nicht einmal daß ich Pate bin. So gehts mit den Männern, wenn Sie ihn sehen so schelten Sie ihn brav aus dafür.
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Ich bitte doch recht sehr mirs zu schreiben wenn Ihnen eine oder die andere Stelle in diesen ersten Scenen, weil die Fortsetzung fehlt, noch unverständlich ist. Ihr Mann kommt hier noch nicht vor, er macht den Wadrigan und es steht bey Ihnen wen Sie zum Belmont wählen wollen.
Schreiben Sie mir doch recht viel Neues von Ihnen von Ihren Angehörigen und Freunden von Ihrem Klavier und von Ihrer Gedult beym auswendig lernen. Der Himmel wirds Ihnen alles wiedervergelten, der ohnedem auf Ihrer Seite ist.
Ich also Ihr Vetter? Nun dabey soll’s bleiben liebe Cousine, bis ich Basler Titsch von Ihnen gelernt habe und Sie in der Sprache besser tituliren kann. Zürich d. 2ten Junius. 77.
Lenz.
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Der Schauplatz stellet die Allee eines kleinen Gartens vor, der überall mit Gebirgen eingeschlossen ist, auf denen man in einiger Entfernung Schlösser und Landhäuser entdeckt, die an dem Fusse derselben das Ufer eines in ihrer Mitte schlängelnden Flusses verschönern helfen. Sophie
Detmond
tritt auf, ländlich gekleidetHier wär’ es denn wo mir dein Blick das erstemal
Dein Mund o Wadrigan! die goldne Freiheit stahl
Hier schien ein jedes Wort dir Zung und Herz zu brechen
Und ich verstund dich doch. O möchtst du noch so sprechen.
An jenem Birnbaum wars, dort in dem hohen Gras
Wo ich in deiner Angst mein ganzes Glücke las
Wo ist die Laube nun? wo sind die Zeugen-Bänke
Du liessest das vergehn. O Wadrigan, ich denke
Der Garten mag ein Bild von deinem Herzen seyn.
Du kauftest ihn von mir als Detmont starb. – Allein; –
Von dem verhaßten Lärm der Städte losgerissen,
Ließ ich mit Wollust hier der Tochter Tränen fliessen
Da kamst du Zauberer und trocknetest sie mir
Und ich ein Kind ein Weib, ich ließ den Garten dir
Zugleich mein ganzes Herz mit allen seinen Trieben
Und wähnt’ es wäre Pflicht statt seiner dich zu lieben
Und dieses Heiligthum, Gott! hätt ich das bedacht!
Als du auf Reisen giengst, blieb in des Gärtners Macht
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Scheints doch so wie dein Herz mehr Kälte überkommen
Als hätt die ganze Welt mit Theil daran genommen
Wie alles fremd hier ward! Ist das der Reisen Frucht
Ach! so bin ich ein Kind daß ichs nicht auch versucht
Heut führst du Belmont her, du selbst hast ihn geladen
Heut! – und bist du gewiß, er könne dir nichts schaden?
Er hält es nicht geheim daß sein zerrißnes Herz
Bey mir nun Lindrung sucht für alter Wunden Schmerz
Bey mir den Abgott sucht den er drey Jahr besessen,
Der ihm entrissen ward, bey mir den zu vergessen
Bey mir – und Wadrigan – Gott ihr mißhandelt mich.
Zweyte Scene.
Belmont kommt.
Belmont.
So ungelegen kam kein Mensch vielleicht als ich.
Den Tag, der Sie gebar, im Stillen zu begehen
Die feyrende Natur darüber froh zu sehen
Begaben Sie sich her und ich –
Sophie
Sie stöhren nichts
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Belmont.O! wenn mir das Herz – genug Ihr Mund versprichts.
Der zauberischste Mund der jemals hintergangen:
O fühlten Sie, was solch ein Wörtlein aufzufangen
Was das zuweilen ist: Ich stöhre nichts? Wohlan
Das übersetz ich mir daß ich noch hoffen kann
Sophie.
Mein Herr! Sie dauren mich. Würd ich Sie minder schätzen
Würd michs nicht ängstigen daß Sie – falsch übersetzen
Belmont.
(mit Heftigkeit)
Falsch?
Sophie
Sie verstehen mich nicht
Belmon.
(die Hand auf das Herz)
Falsch?
Sophie
Unrecht Herr Belmont
Belmont.
Du Engel höre mich (knieend)
Sophie.
Das bin ich nicht gewohnt. –
Ich bitte stehn Sie auf – es könnte jemand kommen
Ich muß hinein – (sie will gehen, Belmont faßt sie flehend an der Hand)
Belmont
Sie gehn? – (Sophie ergibt sich zu bleiben)
Sie haben wahrgenommen
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In meinem düstern Blick vermuthlich was mein Herz
So schlecht verhehlen kann, nur halb geheilten Schmerz
Sie haben recht gesehn und weil Sie mein Gewissen
So reitzend aufgeweckt –
Sophie
Mein Herr –
Belmont.
Sie müssens wissen
Das letzte, ärgste, was, vor Gott sey es gesagt
Von meinen Lippen sich noch nie herabgewagt
Was ich – bewundernswert sind die Sophistereyen
Des Herzens doch, – mir selbst nie wagte zu erneuen
Was ich mir selbst verbarg, gleich Fieberträumen ich
Nur Ruckweis wiedersah unkenntlich fürchterlich –
Vor deinem Blick allein, mein Schutzgeist darf ich trauen
Das Schreckenbild davon noch einmal anzuschauen
Ein sanftes Wort von dir erhält mich –
Sophie
(bey Seite)
Wie michs quält
Sein Selbstbetrug! und doch, wenn er sein Leid erzählt
Erleichtert sichs vielleicht. Ich wünscht ich dürft es wagen
Ihm meine Freundschaft, rein von Liebe, anzutragen
Wenn du nur Wadrigan! mir nicht zu sicher wärst
Belmont.
Es scheint Vollkommenste! du seyst gerührt, du hörst
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Theilnehmend Martern selbst die du nicht angerichtet
O du, weit über das, was ich mir je erdichtet
O du selbst über die, die ich so treu geliebt
Sprich, ob zu meinem Leid es noch ein Beyspiel giebt
Ein Freund, die Seele mir der glücklichsten Momente,
Der Firniß der sie hob – für den ich sterben könnte
In manchem Augenblick noch itzt – der Freund stiehlt mir
Mein höchstes Gut nach ihm, ein Herz, Sophie – gleich dir
Sophie.
Aufrichtig Belmont! wer hieß Sie mir das erzehlen? –
Belmont.
(ohne zu antworten)
Ein Herz – und
Ach du war
ein Gesicht, um seelig uns zu quälen.
Unglaublich schröcklich ists wie ähnlich Sie sich sind
Ich sah Sie jenen Tag mit Ihrer Schwester Kind,
Sie hielten es im Schooß und lächelten drauf nieder
Es schoß mir durch das Mark, ich sah mein Fannchen wieder
So sang, so schmeichelte sie unsern Franz in Ruh
Als ich noch Vater war. Gott! –
Sophie.
Und wie gieng es zu
Daß Sie es nicht mehr sind?
Belmont
In Canadas Gefilden
Sah ich mein Weib zuerst, ein Seraph unter Wilden
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Der Gouverneur des Orts, mein einzger Umgang, war
Der tugendhafte Freund –
Sophie
(mit Erstaunen)
Der Gouverneur?
Belmont
Barbar
Im trunknen Augenblick der Lust selbst must du fühlen,
Daß du ein Teuffel bist –
Sophie
In Canada?
Belmont
O spielen
Sie nicht die Spötterin, ich bin gequält genug
Sophie
(ihm mit Feuer um den Hals fallend)
Mein Bruder
Belmont
Göttliche, Sie ziehn zurück? was schlug
An meinem Busen denn –
Sophie
Ich bitte Sie, verlassen
Sie mich – Ich kann mich noch, kann alles das nicht fassen
Belmont
(ihre Hand an die Lippen drückend)
Wie tröstend –
Sophie
Gehen Sie, dort kommt Herr Hackly
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Dritte Scene Hackli zu den Vorigen.
Hackli, Belmonten, der in der feurigsten Entzükung Sophiens Hand küßt, von hinten zu auf die Schultern schlagend.)
Hackli, Belmonten, der in der feurigsten Entzükung Sophiens Hand küßt, von hinten zu auf die Schultern schlagend.)
So?
Das geht ja Extrapost. Glück zu! Bravissimo
Wie steht das Leben sonst? ists Reislein wohl bekommen
Sie sind doch in der Zeit was Rechts herumgeschwommen;
Nun unser Bardolft auch. Vergangne Freytag Nacht
Hat er uns den Bachat zum letzten Stich gebracht
Der ihre Schwester da, er kam mit seinem Vetter
Den Weg und nahm sie mit von ihrer Tante. Wetter!
Das war ein Anblick Herr! Der Willkomm. Ja wer heißt
Euch Fratzen denn, daß ihr, wenn so was trifft, verreist.
Ihr wißt das Kind, das ich einst mitnahm von der Tante
Ihr Knab, was meynt der Herr ob sie der Bub erkannte?
Ich schwör es ihm zu Gott, wie sie zur Stub’ eintrat
Ha Mutter Mutter riefs (er präsentiert Belmont die Tobacksdose) Warhaftig – in der That! –