Emmendingen, Ende Juni 1777
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Jakob Michael Reinhold Lenz
Jakob Sarasin (Basel)
LKB
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Ihr letztes Schreiben fand ich bey meiner Zurückkunft vom Gotthard kaum bey Lavatern, der verreist war, als ich den folgenden Morgen in der Frühe schon es befolgte. Immer glaubt’ ich, man hätte mich schröcken wollen, so wenig können wir uns überreden, daß das wahr sey was uns zu Boden schlagen soll.
Jetzt bin ich da und nichts weniger als gestimmt, an unserm Lustspiel (denn der Ausgang sollte sehr drolligt werden) fortzuarbeiten. Bitten Sie also Mr. Sarasin und die andern Herren u. Damen, sich deßwegen nicht zu zerstreuen; denn was ich einmal anfange führ ich gern aus – nur jetzt noch einige Wochen Aufschub, eh ich wieder an so Etwas denken darf.
Seyn Sie ruhig, der Himmel wird Ihre dunklen Ahndungen übertreffen. Unsere Freundin war für die Welt zu reiff – sie konnte hier keine Freude mehr haben, das einzige was uns alle tröstet, sie genießt jetzt des einzigen Glücks dessen sie noch fähig war. Ihr Geist war hier wie in einem fremden unbekannten Wohnort, in den er sich nicht zu fassen wußte. Alles drückte auf sie, diese heilige reine Seele mußte sich Luft machen – und in zwo ihrer Abdrücken blieb Trost für den Mann zurück. Indessen ist sein Schicksal schröcklich und er bedarf seines ganzen
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Muths es zu ertragen. Sie werden sein Stillschweigen entschuldigen.
Ueberbringer dieses Briefes ist der Baron Hohenthal, der ein alter Bekannter von Schlossern und nach der entsetzlichen Kunde auf einige Tage zu ihm gekommen ist. Er will die Schweitz sehen; ich hab ihm versprochen, einen Brief an Sie mitzugeben. Vielleicht komme ich gar selbst nach Basel und mach einen kleinen Weg mit ihm hinab nach Lausanne. Doch das sind noch Luftschlösser die ein Hauch einwirft. Und Schlossern darf ich sobald nicht verlassen.
Empfehlen Sie mich Ihrer Gemalinn und der von unserm allerseits verehrten und geliebten Pfeffel wenn sie noch bey Ihnen ist aufs beste. Von meiner Bergreise sag ich Ihnen mündlich was. Jetzt würde alles das sehr matt heraus kommen.

Lenz
Provenienz
Basel, Staatsarchiv, PA 212 F 11, 27, 10, Nr. 4.