Ihr werthes kleines Briefgen hat mich aus vieler Unruh herausgerißen dan Ihre Berg Reiße und das kalte Wetter und daß ich dazu gerathen hat mir rechtschaffen bange gemacht Da Sie nun aber in Sicherheit ausert unserem gesegneten Land wider in der Christenheit sind so darf ich desto ehender frisch von der Leber weg mit Ihnen reden. Sie sind mir ein feiner Man. Sie haben Aufträge, Sie haben Absichten bey Ihrer Reise, und Sie sagen mir kein Worth davon. Etwas habe ich geargwohnt deswegen geargwohnt weil Sie mir von Ihrem Besuch bey dem Hn Bawier zu
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Chur nichts gesagt. geargwohnet weil mich die Verräthereyen vieler Halbfreunde besonders Grewens schreklicher Mißbrauch meines offen Herzens, gegen jederman mißtrauisch gemacht. Ich war denoch mehr als Zehen mahl auf dem Sprung mein Herz in Ihren Busen ganz auszuschütten dan ich leide unausstehliche Höllenpein, Höllenpein, bey der mir von Gott (kan ich das ohne Lästerung denken) oder von Menschen auferlegten Nothwendigkeit verschlossen seyn zu müssen.
Genug – wir haben einander noch vieles zu gestehen und zu verzeihen. fangen Sie an mir zu sagen was
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Sie vor Absichten vor Aufträge bey Ihrer Reise gehabt haben mir zu erklären was die Vorwürfe bedeuten ich habe meine Undernemung bis dahin ohne Gott ausführen wollen und dan will ich mich Ihnen ganz zeigen so wie mich Gott kent und wie Sie mich am Tag des Hn. sehen werden. Biß wir so weit sind sende ich Ihnen keine Geschicht des Philanthropins, es würde ihr immer die unnachahmliche unauslöschliche Phisionomie der Wahrheit fehlen, dan wan ich Ihnen schon nichts gesagt habe das nicht wahr sey so hab ich Ihnen dennoch nicht alles was wahr ist gesagt. Ich umarme Sie mit wahrer Freundschafft
Ihr. Salis
Castion den 11 9bris 1777
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An Herrn
Herrn Lenz
bey Herrn Lavater
in
Zürich.