Liebster Bruder
Eben komme ich dazu, an Dich zu schreiben, mehr um Dich und meine Freunde über mein Schicksal zu orientiren, als um ausführliche Nachrichten zu geben, die Du jetzt nicht von mir erwarten wirst. Ich habe das Glück gehabt, durch die Gnade des Hofes und meines theuresten Großfürsten dem Hause des Hn. Vizepräsidenten v. Böhmer vorgestellt zu werden, mit welchem sich jetzt der Ambassador v. Portugal verbindet, welcher eine der Fräuleins heurathet. Auch bin ich einer englischen Dame von der Verwandtschaft des Hn. Kabinetssekr. vorgestellt worden, die eine Gesellschaftsdame des englischen Ministers ist. So fangen sich meine Bekanntschaften an ein wenig zu bilden, und auszubreiten, welches mir zu einer Zeit, da ich mir ein Publikum von verfeinertem Geschmack erwerben möchte, keine geringe Aufmunterung für mich ist.
Beruhige also meine Freunde über den Zwischenstillstand, den mein Schicksal schien genommen zu haben – weil man, um sich Bekanntschaft zu erwerben – bey der edlern Klasse von Menschen sich mehr leidend und ruhig, als unzeitig wirksam verhalten muß. Herr Baron v. Maltiz hat mich bey der Garde anzubringen versprochen, wo eine Kadettenschule – für meine Kenntnisse eben so viel Hebung verspricht, als der Dienst selbst für meine Gymnastik und die Gesundheit meines Körpers. Ich hoffe als endlich
mentem sanam in corpore sano
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zu erhalten, welches Hn. Pastor Oldekopp zu sagen bitte. Dabey aber von Herzen wünschte – u. s. f. daß mir einmal ein einfaltiger Dienst geleistet würde.
Die Bekanntschaft des Hr. Obristen v. Renkendorf in dem Hause S. Exzell. des General Bauer würde mich gereizt haben, Papa die Bitte zu thun, die Du mir einmal anriethest – wenn es nicht so schwer hielte, ihn um einen Brief zu bitten. Die würdige alte Dame
en question
ist dieses Frühjahr schwer krank gewesen. Danke Bruder Schmidt
bald
für den Gouv. von Novogorod.
Dank also mit mir der Vorsicht für die Gnade der besten Fürstin,
die
wenn sie gleich so unendlich über mich erhaben ist
sich in den Flüssen mahlt, die sie
mit Glanz erfüllt
Shsp.
und hilf mir bethen, daß meine Führung derselben nicht ganz unwürdig sey. Uebrigens wünsche Deinem und Hr. Past. Oldekopps Garten bei herannahenden Frühling noch mehr Reiz für Euren Geschmack als der Häuserbau geben konnte, wider den ich sonst nichts habe, als daß er ein wenig steinern ist – und diese Eigenschaften auch unserm Zutrauen mittheilt. Indessen „ein jeder bei seinem Geschmack“ wird wol auch ein deutsches Sprichwort bleiben, und so bin ich aus Geschmack
Dein
treuer Bruder
JMR Lenz
JMR Lenz
10ten Apr 81.
es ist einer der vorzüglichsten Menschen, der Gouver. Siewers. Er wohnte beym General B.
ist es denn nicht möglich, daß ich durch den Derptschen Fuhrmann
Remmert Samuel
, der in 8 Tagen hieher kommt, meine Sachen und Bücher, die bey Engelhardt, oder jetzt vermutlich bey Bürgerm. Vitl oder Hr. Haase in Walk stehn, erhalte. Ich denke doch, daß ich sie brauche! –