Moskau, wahrscheinlich Mitte 1790 [ab März]
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Jakob Michael Reinhold Lenz
Schottländer (unbekannter Ort)
LKB
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Tausend Dank für die Note meinem werthen Herrn Schottländer, woraus wie aus kleinem vermoderten Saamkömgen der so aus Nichts alles macht, viele Frucht schaffen kann. Nun in
puncto
der Musik der Gandarwen welches im Orient die Musik und der Taktschlag himmlischer Harfen war die die gewöhnlichen Ohren nicht berühren.
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Sie gehen nie in die Bosen oder Börse oder Gostinnaja und wissen auch wohl nicht wie manchen dieser armen Leute zu Muth seyn mag, die theure Zobel zu 100 150 Rubel mit grossen
Reisekosten
in Sibirien aufkauffen und nicht wissen wie ihrer loß zu werden, denn sie stehen! Arme Kaufleute! wie Pferde auf einem Flek und warten daß man sie sucht. Durch
colporteurs
werden sie sie auch schwerlich in der Stadt los werden.
Ich habe die Akten eines seltsamen Processes unter der Feder in Absicht der liefländischen und Pieskauischen Universitäten die noch blosse Wesen der Einbildungskraft sind, unterdessen im Cabinet schon ihre Wirklichkeit haben, wenn von unsrer Seite nur ein
wenig
– ein klein wenig Hebammenkunst angewandt wird. Sie sind niemals in Derpt auf dem Jahrmarkt gewesen edler Freund? Und wissen also nicht, daß dort Kaufleute aus Ost und West 4 Wochen nach Weyhnachten ausstehen. Daß ich dort aus Frankreich und der Schweitz und Italien Kaufleute gefunden erinnere mich aus Kinderjahren. Nun steht unser Zobelverkäuffer hier u bethet zu Gott und niemand erhört ihn weil man seine Sprache nicht kennt. Er machte eine Reise die ihm mit eignen Pferden (nach Ihrer Ausrechnung wieviel?) auf der Post nach der Tage 16 Rubel kostete. Vielleicht wäre ihm Hin und Rükreise mit 30 Rbln. über und über bezalt denn Sie wissen wie Russen reisen
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ich habe Karamsin davon benachrichtigt u im Enricoffschen Haus

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Würde nun aber der Fürst Kurakine und eine gewisse Gräfin und eine gewisse Fürstin der
Academie
in Peterburg ihm wohl
garantieren
daß er auf dieser Reise wenigstens 5 Zobelpelze verkauft, ehe die Liefländer sie aus
Canada
u von den
Americanern
suchen, ausser was er fürs Frauenzimmer absetzt, die Kragen, Besätze p von Zobel tragen. Sie kennen aber Mitscherlich nicht, den Buchhändler? Und hier wären junge Herrn Uebersetzer und Schriftsteller genug ihm einen Laden in Derpt zu formiren mit Uebersetzungen Journälen u. Auszügen! Unser Zobelhändler nähme also auch Bücher mit für
Mitscherlich,
damit, wenn durch die Correspondenz des hiesigen Mitropoliten und der – sehr
gelehrten
Mitglieder der hiesigen Theol. Fakultät – in Saikonospaß mit dem Rigischen Erzbischoff
Innokentii
Zutrauen zwischen Deutschen und Russen herauskommt, die Fürstin
Daschkoff
eine
gelehrte Gesellschaft
des Dörptschen Adels stiftete, die eine deutsche und Russische Typografie nach Pieskau aus Oberpalen
vermittelten
und ans statt ihre Kinder mit unsäglichen Kosten 1000 Meilen weit hinaus zu schiken, dort
Gelehrte
zu Professoren mit Kostgängern anpflanzte – damit sage ich diese Liefländischen Herrn die 100 Rbl auf eine Charte setzen, sich dort wenigstens mit einem anständigen
Pelz
weisen können.
Nun ist es lustig mit meinem Proceß mit den dasigen schönen Damen verheuratheten und nicht verheuratheten, die Catholisch thaten und nicht heurathen durften damit sie ihre geistlichen Stiften nicht verlören. Sie dürfen glüklich itzt von der Sandbank abstossen und zu ihrer Tante der Generalin bei der Flotte nach Peterb. reisen um sich mit den Offizieren des Cadettenkorps zu verheurathen, weil zu vermuthen steht, daß auch Liefländer aus dem Corps nach Pieskau reisen werden ihre Studien dort zu vollenden.
So giebt Gott Sieg und heut ein Bruder Dero aufrichtiger Diener
JMRlenz.
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Das sind 5–600 Rubel
profit.
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Provenienz
Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 31, Nr. 35