D 8ten Aprill 1775.
Hier mein theurer Eifferer für unser Haus einige Versgen die ich dies Jahr in Calender setzen lasse.
Ueber die kritischen Nachrichten vom Zustand des deutschen Parnasses (der Verf. ist Gotter der bey Dir war
Gotter.
Es wimmelt heut zu Tag von Sekten
Auf dem Parnaß
Lenz
Und von Insekten.
Ueber die Dunkelheiten im Klopstock und andern
Der Schmecker.
Ich bitte gebt mir Licht
Herr ich versteh euch nicht
Antwort.
Sobald
ihr
mich versteht
Herr, bin ich ein schlechter Poet.
Klopstocks Gelehrten Republick
Ein götterhaft Gerüst
Der Menschen Thun zu adeln
Wer darf, wer mag da tadeln?
Antwort
Wems unersteiglich ist.
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Nichtsdestoweniger aber wünscht’ ich, daß Deine herzhafte Prügelsuppe den Leuten ganz warm über die Schultern regnete und will deshalb eine Abschrift dieser Rezension Gottern grad zuschicken sie in den deutschen Merkur zu rücken – Wielanden vielmehr, mögen die es verdauen so gut sie können und zu ihrer Besserung anwenden denn es ist unerträglicher Leichtsinn daß ein solcher Schmecker sich untersteht von solchen Sachen auch nur einmal zu reden, geschweige so abzuweisen.
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vehiculum
sorgen ihm die Medicin beyzubringenHier noch was von Goethe über diese Abgeschmacktheiten in seiner neusten Satyre, die ich zugleich die glücklichste nennen möchte: „Prometheus Deukalion und seine Rezensenten“ bey Gelegenheit der Deraisonnements in Deutschland über seinen Werther
Plötzlich erscheint Herr Merkurius pp
Wirst hier kritische Nachrichten hören
Kannst dich wahrhaftig des Lachens nicht wehren
Sehn aus als wärens im hitzigen Fieber gemacht
Haben hübsch alles in Klassen gebracht –
Aufgeschaut und nit gelacht.
Merkur
Sieh da ihr Diener Herr Prometheus
Seit Ihrer letzten M – Reis
Sind wir ja Freunde so viel ich weiß
Ist mirs vergönnt den Sporn zu küssen
Prometheus (Verf. des Werthers
Werd euch zur Zeit damit zu dienen wissen
Wie stehts um d. Fenster die ich eingeschmissen
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Merk.Mein Herr wird sie halt machen lassen müssen
Waren ja über das nur von Pappier
etc.
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Seegen Gottes über Dein Amt! Wer bin ich, daß ich Dir Glück wünsche? Dich, Deinen Standpunkt, Deinen Wirkungskreiß nach Würden erkenne und ausmesse. Wirkt miteinander Du und Dein Pfenninger und betet für einen betrübten Verlassenen
Warum hast Du mir denn nicht die Vollendung Deines Mskpts. für Freunde zugeschikt? Doch Dank dafür! Und für alle die reichhaltigen Gedanken in diesem Mkspt. ewigen Dank.
Ich bin bey Zimmermann gewesen und freue mich über seine Freude über Dir. Er hat einen wakern Stubengesellen, den Sohn des Meckels der seinen Vater kurirt hat. Es hat mich in der Seele gerührt so den Geist der Liebe der Väter auf den Kindern ruhen zu sehen. Sie fühlen beyde dies schöne Verhältniß, wie mich deucht, die edlenjungens. Wieviel haben wir auch von Dir und Deiner ersten Erkennung mit Zimmermann in Schinznach gesprochen!
Der Herzog von Weymar kommt (wie ich nun leyder gewisse Nachrichten eingezogen) in 4 Wochen zurück, aber nicht über Lyon und durch die Schweitz, weil er sehr kränkelt und daher nach Hause eilt. Hast Du ihm was zu sagen, meld mirs, wenn ich Knebeln hier spreche, solls sicher bestellt werden.
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Wie sehr wünscht’ ich nur einen Tag bey Dir zu seyn, wenn Du Physiognomik arbeitest. Ich freute mich schon im Geist Dich vielleicht mit einem Exemplar hier zu sehen, doch werd ich das Buch wohl zu sehen bekommen, nur des Verf. Erläuterungen fehlen. Klopstock ist auch wieder nach Hause gekehrt zu seinen alten Freunden, ich hatt ihn so nahe und sah ihn nicht. So waltet ein uns unbekanntes Schicksal über unsre liebsten heiligsten Wünsche und Neigungen und leitet sie nach seinen Absichten. Goethe schweigt auch gegen mich, vermutlich weil ihn Geschäfte überwältigen. Nächstens sollst Du eine Künstlerromanze von ihm lesen, die ich seiner Schwester zugeschickt.
Melde mir doch aufs eheste ob der Herzog von Weymar mit unter den Subskribenten auf Deine Physiognomik ist. Und für wieviel Exemplare? – Und denn ob ich die Wielandias dem Gotter schicken darf, dem ich eine Antwort schuldig bin.
Grüß den edlen Passavant und dank ihm mit der heissesten Umarmung für all seine Freundschaft für mich. Die Lieder von denen er mir schrieb sind meistens nicht von mir, sondern von einem jungen Schweighäuser einem Jüngling von vollem Herzen. Dank ihm noch mehr für seine schönen Mühwaltungen für meine Kosakin, die ihm selbst auf einem Zettel ihren Dank stammeln wollte, aber jetzt krank zu Bette liegt. Sie hat von dem bewußten Freunde nun auch schon selbst seine
Adresse
in London erhalten, indessen bittet sie Passavanten doch gütigst fortzufahren, und sobald er Neuigkeiten erfährt, sie ihr mitzutheilen.
Grüß den theuren Pfenninger und sag ihm, ich arbeite gegenwärtig an einer neuen Auflage meines Menoza mit sehr wesentlichen Verbesserungen, der liebe Kritiker soll ihn zuerst haben. Überhaupt bitte ich meine Freunde mir ungeheuchelt und strenge ihre Meinung, ihr wahres uneingenommenes Gefühl über alle Stücke die ich künftig dem Publikum vorlegen werde zu schreiben. Es ist der gröste, der einzige Liebesdienst, den sie einem Künstler erweisen können. Und wißt Ihr lieben Brüder, daß der Tadel des Publikums auch auf Euch zurückfällt? „Hat er denn nicht Freunde?“
Und nun, Lavater, laß mich Dich an mein Herz drücken, solang ich noch nahe bey Dir bin und Dir ein Wörtgen über die Schweitzerlieder zurufen, von denen ich neulich wieder gesprochen. Mit dem Büchlein in der Tasche komm’ ich einmal in eure Gebirge. Tausend Grüße Deiner verehrungswürdigen Gehülfin. Daß doch das Blatt schon zu Ende ist
Lenz.
Der gute Röderer Nathanael empfiehlt sich euch allen aufs zärtlichste. Adieu! Adieu!