Straßburg, 30. September 1775
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Jakob Michael Reinhold Lenz
Johann Gottfried von Herder (Bückeburg)
LKB
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Warum ich schweige Herder? Weil die Freude keine Sprache hat. Weil die Liebe keine hat. Schweige mir gleichfalls.
Den 30sten Sept. Es ist mein Namenstag Und heute heute erhielt ich Deinen zweyten Brief. Herr nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren. Vor dem Hafen lag mein Schiff– ein Sturm erhub sich – auf immer schiffbrüchig – und nun lauf ich ein –
Ach wenn du meine Soldaten hast, wenn Deine Frau ihn Dir vorliest – genug. Und auch Dich ehren die Könige? – Alles. – Aber quacken sollen sie doch, die Dich antasteten wenn ich meinen Fuß ihnen aufden Nacken setze.
Es war mein Bruder der Dich in Königsberg kannte. Und mein halber Feind. Doch hoff ich, auch er wird Freund werden . Ach ich darf nicht mehr schreiben, mein Herz schilt mich schon itzt. Aber gieb Deiner Frau einen Kuß wenn sie Dir die Soldaten gelesen hat. Unsere Seelen sind wahre Schwesterseelen. Und ich zittre vor Euer beyder erstem Anblick. Dann wird kein Wort gesprochen, keine Lippe muß das entheiligen.
J M R Lenz.


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Es will und
darf
kein Mensch meine Wolken drucken lassen Sobald ich aber zu Gelde komme laß ichs auf meine Kosten drucken in Kehl, wo ich Götter, Helden und Wieland drucken ließ. Dann sollst Dus haben. Bis dahin– ich beschwöre Dich schweig davon.
Provenienz
Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, GSA 44/69, Bl. 5. Lenz schickt die „Wolken“ mit.