Straßburg, 13. Oktober 1775
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Jakob Michael Reinhold Lenz
Gottlieb Konrad Pfeffel (Colmar)
LKB
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Wie begierig ergreiffe ich gegenwärtige Gelegenheit, Ihnen, mein liebens- und verehrungswürdiger Freund, das Vergnügen auszudrücken, das mir Ihre letztere gütige Zuschrift gemacht. Ihre kleine Capelle sollte mir in der That die erwünschteste Zuflucht für meine Weihnachtsandacht seyn, wenn sich meine äußerlichen Umstände nur im Geringsten darnach fügen wollten. So aber kann ich nur noch aus der Entfernung Ihnen zur völligen Wiederherstellung Ihrer Kräfte den herabströmenden Himmel anwünschen. So viel Nachrichten von Ihrer Person, von Ihren Schiksalen, von Ihrer Verbindung haben schon seit langer Zeit den Wunsch in mir rege gemacht, eine Wallfarth zu Ihnen anzustellen und Sie in der Sphäre, die Sie anfüllen, zu sehen; ich behalte mir diese Freude auf bessere Zeiten vor.
Dürft ich Ihnen einen Antrag thun. Es verbindet sich hier eine Gesellschaft schätzbarer Gelehrter, unter denen auch Offiziere und hier angesessene Personen sind, zur Verbesserung der hiesigen deutschen Mundart sowohl als zur möglichsten
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Bereicherung unsers in Schriften gebräuchlichen Hochdeutsch. Wollten Sie würdiger Mann mit von unserer Anzahl seyn. Herr Lizenziat Ott wird Ihnen mündlich eine ausführlichere Beschreibung von diesem Institut machen können. Wir erbitten uns von Ihnen nichts als von Zeit zu Zeit, sobald es Ihre Geschäfte verstatten, einige Zeilen als Beytrag zu einem Idiotikon vom Elsaß, Vorschläge etwan wie ein und anderes kräftiges Wort, der guten Sprache unbeschadet, in dieselbe aufgenommen und vor dem ewigen Verdammungsurteil Provinzialwort gerettet werden könnte. Ich muß Ihnen gestehen, daß bey dem ersten Vorschlag einer deutschen Gesellschaft im Elsaß mir der Beystand eines seiner ersten Schriftsteller unentbehrlich scheint und also dieser Antrag ganz und gar eigennützig ist. Herr Hofrath Schloßer wird Ihnen die
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erste Schrift mittheilen, die ich bei Eröfnung dieser Gesellschaft in dem Hause des Herrn Aktuarius Salzmann abgelesen. Sie sind so gütig, mir sie wieder, nebst einer geneigten Antwort auf unsern Antrag, zukommen zu lassen, weil sie in unser Archiv eingetragen
werden
soll und ich noch keine Abschrift davon genommen.
Herr Lerse ist nach Zweybrücken abgegangen, und ich habe leyder bey meinen häufigen Zerstreuungen seines Umgangs nicht so häuffig genießen können als ich wohl gewünscht hätte.
Empfehlen Sie mich unbekannter Weise Ihrer würdigsten Gemalin und Familie. Ich bin mit der ungeschminktesten Hochachtung
Dero


ganz ergebenster
Diener u. Verehrer
J M R Lenz.
Strasb. den 13ten 8br 1775.

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Herrn
Herrn Hofrath
Pfeffel
in Colmar.


Empfangsnotiz Pfeffels:
M. Lenz

Den 13.8.br 1775.
Provenienz
Marbach, Deutsches Literaturarchiv, A:Pfeffel, Gottlieb Konrad. Zugangsnummer HS.2005.0001.00073. Mediennummer HS001731331.