Ulm, 13. November 1775
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Philipp Christoph Kayser
Jakob Michael Reinhold Lenz (Straßburg)
LKB
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Ulm

Hier aus dem Zimmer des liebenden Millers muß ich Dir lieber was schreiben.
Ich kenne Deine
Wolken.
Ich weiß daß Du sie gedruckt wolltest haben p p Ich bin sehr dafür portirt und
liegt mir viel dran.

Hier hab ich nun durch Millern der mein
wahrer
Freund ist, schon Gelegenheit gehabt, für mich und auch andern etwas geheim drukken zu lassen – und dieß wär hier auf die Art zu machen.
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Sage nun mein Freund Deine Meynung und Sinn. Millern kann man alles
ohne
den Freundschaftseid anvertrauen.
Er
liebt Dich sehr sehr! Trug mir längst auf, Dir’s heftig zu versichern. – Närrchen sey gut! Obwohl er Dichter ist, so ist er doch herrlich, und man kann immer die Liebe eines Kerls mitnehmen.
Stolbergs die edle grosse Seelen haben mich gezwungen sie nach Schaffhausen zu begleiten, und da zwang mich Miller mit nach
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Ulm. So kam ich hieher! Ist mir sehr wohl. Finde in Schwaben viel Simplicität, Religion und Tugend. Mädchens sind Gotteskinder. –
50 fr wie Du sie fordertest will ich Dir für die Wolken schaffen.
Schreib mir gleich nach Zürch wie Du meinst. Am Donnerstag geh ich hier ab, und treff dann gewiß Antwort von Dir in meinem Nest.
Stolbergs sind
Deiner Liebe gewiß werth.
Du hast kein Wort – nicht
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gedankt für den Freyheitsgesang. Mänchen Du bist ein eigen Geschöpf! Um Lavatern wirds mir Tag täglich wohler. Doch – ein ander mal in Zürch Antwort auf Deinen lezten Brief. Kuß und Gruß an Röderer. Ade!

Den 13 9
br
75.
Kaiser.

Hab Ordre von Klingern Dir ein Drama zu senden. Kommt nächstens.
Lebe wohl Lieber!
Provenienz
Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 32, Nr. 20.