Zürich, Januar 1776
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Philipp Christoph Kayser
Jakob Michael Reinhold Lenz (Straßburg)
LKB
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Lieber Bruder ich trag etwas im Sinn das ich Dir sagen will und wozu ich all Deine Liebe und Theilnehmung auffordre mir beyzustehn! Ich habe Bedürfniss nach einem Stück dramatischer Poesie, das ich ganz nach meinen Ideen und Phantasien voll und prächtig componieren mögte. Und lass Dir jezt klagen liebster Junge daß unter dem hellen Haufen gedrukten Wesens nicht ein Blatt für mich ist! Da bin ich drauf gefallen mich an Dich zu wenden und Dir mit allem trauen und wähnen die Grille zu entdecken, ob Du was machen willst. Es wär ein schönes Ding drum wann Du mir und Dir und allen die Du liebst, so was gäbst und ich drinn auch das treiben meines Geists da abreiben könnte. Ich mag für diessmal nicht lang von reden, denn alles beruht nur für erst darauf ob ich Dir so was zumuthen darf und wie sich Dein inneres darzu geberdet wann Du’s überdenkst. Es b
nicht Cantate nicht Lied nicht
rium und all das Ge
solte würkliche
Opera
Drame heroique
der
Fühle hier meinen
fürchte mich nicht mehr z
wie ihr Leute seyd
was das heißt:

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Vielleicht begegnet Dein Geist hier unmittelbar dem meinen und Du verstehst mich dann gleich. Könt ich Dir so sagen wie das doch Verdruss ist wann man so was braucht und nichts hat. Siehe das schöne heroisch, simple, verliebte Zeitalter der Griechen, und was so ein Süjet da heruasgenommen für liebe Reize darböte – Ich will nur schweigen! Bitte Dich antworte mir gleich auf meine Idee und lass es gut aus fallen. Wilst Du Dich mit einlassen so reden mehr, und wilst Du noch etwas weiter fragen wie ichs für die Macht der Darstellung der Musik am besten halte – so rede und ich antworte. Nur schlag mir wenigstens den Zunder nicht aus der so gut gefangen hat, und lass es dann während so langs will biss Feuer gibt. Adieu. Adieu.

K.
Provenienz
Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 32, Nr. 25. Textverlust durch Ausriss.