Kehl, 14. Januar 1776
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Jakob Michael Reinhold Lenz
Friedrich Wilhelm Gotter (Gotha)
LKB
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Den 14ten Jenner



Ich danke Ihnen mit ganzem Herzen, Bester! für die freundschaftliche Mühwaltung die Sie sich haben geben wollen, meinen Seeräuber in die Hosen zu bringen. Ich habe die Vier alte Louisdor richtig erhalten, für die mein Dank zurückkommt. Lassen Sie mir meine Gefühlsart (so übersetz ich Delikatesse) das mehrere was Sie dafür von den Schauspielern erhalten können, mehr um Sie nicht zu verwöhnen, als um zu gewinnen, Ihnen mein bester Freund zu Ihrem selbstbeliebigen anderweitigen Gebrauch anzubieten. Ich bin zufrieden mit dem was man mir freywillig gab.
Da Sie doch einmal so freundlich sind und sich mit dem Buben zu thun geben wollen, so bitte ich Hn. Seiler oder wem Sie ihn anvertrauen auch noch folgende kleine Einschiebsel in den Dialog zuzusenden, die das Ganze überschaulicher machen und vielleicht manche kleine Hindernisse an die sich die Täuschung stieß, wegräumen werden. Etwa in der
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ersten Szene ersten Akts, sobald Alonzo Marianen den Anschlag entdeckt hat, den er mit dem Sklaven hat (wie die Stelle heißt kann ich mir nicht mehr erinnern) könnte der antworten, eh er ihm noch den Glückwunsch thut
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Meine Adresse ist an Hn Lenz, abzugeben bey Hn. Miville Vater und Sohn in Kehl.

Mar.
Wie aber wenn Sie alles dies nicht nöthig hätten und Ihr Sohn etwa gar mit unter den Sklaven wäre, die der Ritter Ackton eingebracht hat
Alonzo
Er würde mich sogleich aufgesucht haben
Mar.
Er vermuthet Sie aber noch in Barcellona
Alonzo
Würd’ ihm denn da nicht mein alter Freund Ramiro Nachricht von mir gegeben haben? – Hören Sie, er ist Ihr Correspondent, Sie könnten allenfalls doch, wenn Sie an ihn oder jemand anders in Barcellona schrieben,
allenfalls
Nachfrage thun. Sie erwiesen mir einen Dienst dadurch. – Doch was wollen wir uns mit Schimären den Kopf zerbrechen. Ich weiß daß sein Herr ihn nicht von sich läßt, wie sollte er denn jemals in Spanierhände gerathen? So aber bekomm’ ich ihn wieder und wenn er in Beelzebubs Klauen steckte.
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wenn es gedruckt wird bitt ich mir einige Exemplare für meine Freunde aus – ich wäre sehr begierig von einem nicht schonenden Freunde die Wirkung zu erfahren, die das Stück auf dem Theater thut. Es könnte vielleicht mir Gelegenheit geben Ihnen etwas anders zuzuschicken, daß sonst kein Mensch auf der Welt würde zu sehen bekommen haben. ich bin entsetzlich fürs
gespielt werden
wenn es unbeschadet anderer Sachen seyn kann.

Und weiter unten etwa in der zweyten Scene zweyten Ackts, wo die Verwechslung der Kleider
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geschieht, als Osmann Pietro fragt: Und was soll aus dir werden? und dieser antwortet: Kümmerts mich doch nicht„ – könnte er frostig lachend hinzusetzen, „ich hab’ ja auch noch Verwandte in Spanien die ich aufsuchen kann wenns aufs höchste kommt“
Sie sehen daß dies die Folgen von Ihren Anmerkungen sind, für die ich Ihnen herzlichst danke.
Doch
Man arbeitet bisweilen so flüchtig weg, ohne sich genug umzusehen nach Lesern und Zuschauern und nach ihren Ideefolgen. Doch fällt Ihre Beschuldigung Plautussen unendlich mehr zur Last als mir, der
ich
durch die Veränderung des Au
halts des alten Alonzo, durch die lange Zeit des Ausbleibens, durch die türkische Kleidung, am meisten aber durch den alle andere Erinnerungen verschlingenden Enthusiasmus der Freundschaft in der Seele Pietros (wohin auch die Aufschrift des Stücks weiset) allen Störungen der Illusion wie mich deucht itzt wohl hinlänglich ausgebeugt habe.
Für die Nachrichten von Goethen, Wieland, danke ich zärtlichst. Die von Ihnen bitte aber sobald es seyn kann mit Urkunden zu belegen, damit ich sie hier meinen Freunden mittheilen kann. Fahren Sie fort mir Ihren schätzbaren Briefwechsel zu gönnen, und von Zeit zu Zeit was von Ihrer Fräulein Schwester was einzumischen die ich dem leichtsinnigen Gallien mißgönne. Ich lebe hier ziemlich wohl und
ausgebreitet,
nur muß ich alles was mich etwas preßt sehr sorgfältig verstecken. Meine
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Situation ist eine der wunderbarsten die ich mir jemals hätte können träumen lassen.
Soviel
gesellschaftliche Freunde und keinen fürs Bedürfniß. Und beydes nimmt nach dem Maaß zu nach dem ich hier bekannter werde. – Es wird Ihnen nicht besser gehn nur daß die Stadt so groß nicht ist.


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Herrn
Herrn
Gotter

Archivarius
in Gotha.
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Provenienz
Kraków, Biblioteka Jagiellońska, Krakau, Lenziana 5, Nr. 5. Textverlust durch Ausriss.