Straßburg, 21. und 22. Januar 1776
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Jakob Michael Reinhold Lenz
Heinrich Christian Boie (Göttingen)
LKB
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Hier haben Sie lieber Freund meine Aussöhnung mit Wielanden, die Sie sogleich Herrn Hellwing in Lemgo zuschicken werden, sie an die Wolken andrucken zu lassen. Sie ist zwar ein wenig Normännisch, wird aber wie ich hoffe zu seiner wahren Beruhigung mehr beytragen, als tausend leere Lobeserhebungen.
Die beyden Sachen gehören ganz nothwendig zusammen, eins steht und fällt mit dem andern und ich habe bloß
darum
damit bisher zurückgehalten um einige Nachrichten aus dem Publikum einzuziehen
Hier ist auch etwas von Schlossern für Ihre Sammlung das Ihnen gewiß Vergnügen machen wird. Sie dürfen das Geld dafür mit dem dem für dem ersten Mskpt. Sobald Sie es bequemlichst thun können, ihm unmittelbar nach Emmedingen zu schicken. Darüber aber ist er ein wenig empfindlich gewesen, daß Sie seinem ausdrüklichen Verbot zuwieder, seinen Namen bekannt gemacht und ihn so mit Wielanden über den Fuß spannen. Von diesem können Sie ihn immer als Verfasser nennen.
Aus unserer Gesellschaft die täglich anwächst, kann ich Ihnen mit der Zeit einige
sehr artige
Sachen mittheilen. Verschiedene Professoren unserer Akademie haben sich zu uns gethan von denen wir auch allerley hoffen. Herr Blessig schreibt hier an einem Strasburger Wochenblatt,
der Bürgerfreund,
das aber ganz und gar
lokal
ist. Auch ich schreibe hinein. Aber wie Sie sich wohl vorstellen können, alles
ad captum
unserer Leute. Indessen wollen wir hoffe ich andern Schriftstellern dadurch Feld bearbeiten. Leben Sie wohl u. antworten Ihrem
L.
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am linken Rand der ersten Seite, vertikal
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Das Soliloquium des Wetterhahn könnte füglich wegbleiben. Es ist
zu
schmutzig. Sorgen Sie doch dafür bester!
Wenigstens muß er in Kleidern
am Tisch sitzen. es wäre mir
aber sehr lieb
wenns ganz wegbliebe.
verte
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Den 21sten Jenner


Eben jetzt erhalte Nachrichten, daß Herr Leibarzt Zimmermann in Hannover bey jemand nachfragt, ob die Wolken von mir seyn. Sollte er sie gesehen haben?
Soeben läßt er mir durch seinen Sohn sagen, er habe ein Mskpt von mir in Händen, das er in Leipzig bey Reichen werde drucken lassen. – Sollten das etwa gar die Wolken selber seyn? – Es sey was es wolle so geben Sie mir Nachricht davon und wenn Sie etwa auf die Art der Freundschaft für Hn. Wieland eine Schmähschrift hätten unterdrücken wollen,
die ihm soviel Ehre macht
und mit der ich
ganz andere
Zwecke zu erreichen hoffe, als die Schriftstellerreputation eines Mannes herunterzusetzen von dessen wahrem Werth kein Mensch in Europa eine so anschauende und richtige Erkenntniß haben kann als ich – – so bedaure ich daß Sie meine wahren Absichten – meine Einsichten – und mein Herz – so mißkennet haben – und bitte mir beydes Pasquill – und Apologie – die wie gesagt beyde
nothwendig
waren, beyde ohneinander nicht
bestehen konnten
ungesäumtst wieder zurück. So ist eines der edelsten Anschläge meines Lebens über den Hauffen geworfen.
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– Das Packet mit den 10 Dukaten habe erhalten und danke
sehr
für die schleunige und freundschaftliche Bezahlung. Aber wie gesagt ein Dolchstich von der Hand des Freundes wäre mir angenehmer als Hintertreibung
guter und edler
Absichten – unter dem Schein sie zu befödern
Doch wenn ich mich geirret habe so verzeyhen Sie! Oder sollte selbst im befürchteten Fall, Herr Leibarzt Zimmermann auch
meiner Meynung
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seyn – O welche Freude für einen Jüngling, die Stimme eines solchen Mannes gewonnen zu haben. – Sonst mach ich diesen ganzen Lärm nicht eben um der Männer willen; die über Lärmen dieser Art gewöhnlich hinauszuseyn pflegen. Wenn sie aber Söhne haben – Söhne in meinen Jahren – und in meinem Fall – Söhne für die ich alles das thue –

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und es ihm mit dem Druk in Leip. ein Ernst seyn

L


Den 22sten


Wie gesagt, vor allen Dingen, wenn meine Furcht wahr ist, bitte mir die Apologie wieder. Sie ist meine einzige Schutzwehr, der einzige Schlüssel aller meiner Absichten, auf den ich alle meine Freunde die über diese Sache an mich geschrieben verwiesen. Bekomme ich sie nicht so bin ich in einer verzweiflungsvollen Lage – und das durch Freunde – denen ich mich ohne Zurückhaltung anvertraut –

Lenz


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Bester Freund wenn meine Furcht ungegründet ist, so verzeyhen Sie nochmals bitte ich, den Ausbrüchen meiner Leidenschaft. Mir ist an Endigung dieser Sache und an Aufklärung des Publikums über meine Gesinnungen und Handlungen gegen Wiel. alles alles gelegen. Um dieses Schrittes willen – that ich all meine bisherigen Schritte – dieser Schritt entscheidet von allen meinen künftigen. Ich kenne mein Publikum, ich habe es vorbereitet – ich habe die ganze Wirkung berechnet die das thun
kann
– thun soll und muß – und wenn nun am Ende der Unternehmug – – sich mir der Freund entgegen stellte und
unter dem Schein
mir zum Ziele zu helfen – ich kann den Gedanken nicht aushalten – entreissen Sie mich dieser gewaltsamen Gemüthsverfassung durch die geschwindigste Zurücksendung des unglücklichen Manuskripts das sodann freilich nicht in Freundshände hätte fallen sollen.
Viel lieber hätte ich Wiel. selber zugeschickt. Beruhigen Sie mich, ich beschwöre Sie
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am linken Rand der vierten Seite, vertikal
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Von Blessig und andern nächstens
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Provenienz
Biberach, Wieland-Museum, Nr. 1002. Bei der beigelegten „Aussöhnung“ handelt es sich um die „Verteidigung der Wolken“.