Wahrscheinlich auf dem Weg von Hannover nach Kassel, 9. Februar 1776
Der Brieftext wurde anhand des Originals kritisch geprüft.
Heinrich Julius von Lindau
Jakob Michael Reinhold Lenz (Straßburg)
LKB
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Den 9
ten
Februar

Mein lezter Brief wird Dich
ge
ver
wundert haben. Ich habe die Antwort noch nicht haben können weil ich noch nicht in Cassel gewesen bin: ich irre noch immer auf dem Lande herum. O daß sie doch nicht abschlägich ist! Die Ursachen warum ich es wünsche habe ich besser gefühlt als ich sie Dir jezt sagen werde. Erstlich, wird der kleine Lindau Gelegenheit haben (so kömmt es mir
je
vor) auf dieser Reise Bilder und Ideen zu samlen die vielleicht nun nicht mehr könten in seine Seele gebracht werden da wir Europa verlassen, und wahrscheinlich es nie wiedersehen; er kommt auch in eine ganz fremde Sphere;
bräuchte
wäre es ihm den nicht gar gut wen Du könntest bey ihm seyn.
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Du
 
Sein Umgang mit Dir wär ihm vielleicht eine Vorrede zu
einem Theil
eines folgender Exißtenze
künftigen Lebens.
Zweitens köntest Du mir manchen guten Rath geben in Absicht auf die Art wie ich mit ihm umgehen soll.
Wenn Du aber gerne
bis
nach Weimar gegangen wärest, Lieber, so habe ich gros Recht gehabt Dich für Schlösser in der Luft zu warnen. Mit diesen armselgen 9 Carolinen
alles was ich missen kann
muß Peter bis nach Frankfurt kommen. Nimm Du davon soviel möglich, und geh so weit mit als Du hin und her mit dem Gelde auf der
Diligence
zureicht. Könte es doch bis Mannheim zum wenigsten seyn und paste es sich so, daß Ihr köntet die Oper sehen! Da ich
im Sch
auf der Reise schlafe so wie in meinem ganzen Leben, weis
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ich gar nicht was es kostet.
Der kleine Lindau ist nicht Officier geworden: weil
er
mir zu viel gekostet hätte: Ich nehme ihn blos als Reisegefährte mit. Ich hoffe er wird acht oder vierzehn Tage nach diesen Brief in Strasburg eintreffen. Es hat grosse Eile, den die Truppen marschieren vor Ende dieses Monats: und drey Wochen drauf embarquiren sie sich den Tag kan ich aber nicht bestimmen
Wenn Du zum Unglük nicht m
Peter
Peter
wird mich wohl schwerlich in Cassel
noch
antreffen und wird mir müssen nachreisen. Er muß sich dort an Herr Lagis adressiren. Wenn Du zum Unglück nicht mit kanst so wird der Peter Geld genug übrig haben, so sey doch so gut und kaufe ihm
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einen kleinen Degen mit einer guten
Lane
Lame a dos
wenn Du eine kriegen kan, einen hübschen
Chapeau corse,
und hauptsächlich ein paar Stiefeln, wenn es moglig ist. Schreibe mir ja bald.

In Frankfurt
addres
meldet Ihr euch gleich bey dem Herrn Rath Göthe. Ist Peter allein so wird er wohl bey ihm logieren
Provenienz
Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 32, Nr. 37. Lindau hatte zu diesem Zeitpunkt Lenz’ Brief, Kehl, Januar 1776, noch nicht erhalten.