Fort-Louis, den 28. Juni.
Gütigster Herr Aktuarius!
Ich habe einen empfindlichen Verlust gehabt, Herr Kleist hat mir Ihren und meines guten Ott’s Briefe recht sorgsam aufheben wollen und hat sie so verwahrt, daß er sie selbst nicht mehr wieder finden kann. Ich bin noch zu sehr von der Reise ermüdet, als daß ich Ihnen jetzt viel Vernünftiges schreiben könnte. Denn ich habe noch fast keine Minute gehabt, in der ich zu mir selbst hätte sagen können: nun ruhe ich. Eigene und fremde, vernünftige und leidenschaftliche, philosophische und poetische Sorgen und Geschäfte zertheilen mich. Mein Schlaf selber ist so kurz und unruhig, daß ich fast sagen möchte, ich wache des Nachts mit schlafenden Augen, so wie ich des Tages mit wachendem Auge schlafe. In Sesenheim bin ich gewesen. Ist es Trägheit oder Gewissensangst, die mir die Hand zu Blei macht, wenn ich Ihnen die kleinen Scenen abschildern will, in denen ich und eine andere Person, die einzigen Akteurs sind. Soviel versichere ich Ihnen, daß Ihre weisen Lehren bei mir gefruchtet haben und daß meinen Leidenschaft dieses Mal sich so ziemlich vernünftig aufgeführt. Doch ist und bleibt es noch immer Leidenschaft – nur das nenne ich an ihr vernünftig, wenn sie mich zu Hause geruhig meinen gewöhnlichen centrischen und excentrischen Geschäften nachhängen läßt, und das thut sie, das thut sie. Die beiden guten Landnymphen lassen Sie mit einem tiefen Knicks grüßen. – – Mein Trauerspiel (ich muß den gebräuchlichen Namen nennen) nähert sich mit jedem Tage der Zeitigung. Ich habe von einem Schriftsteller aus Deutschland eine Nachricht erhalten, die ich nicht mit vielem Golde bezahlen wollte. Er schreibt mir, mein Verleger, von dem ich, durch ihn, ein unreifes Manuscript zurück verlangte, habe ihm gesagt, es wäre schon an mich abgeschickt. Noch sehe ich nichts. Lieber aber ist mir dies, als ob mir Einer einen Wechsel von 1000 Thalern zurückschenkte. Lesen Sie dieß andere Blatt in einer leeren Stunde. Unsere letzte Unterredung und die darauf folgende schlaflose Nacht, hat diese Gedanken veranlaßt. Schreiben Sie Ihr Urtheil drüber
Ihrem ergebensten Lenz.