Mannheim, April 1776
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Friedrich Müller (Maler Müller)
Jakob Michael Reinhold Lenz (Weimar)
LKB
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Manheim



Lieber Lenz

daß Du mir noch nicht geschrieben – eine gewaltige Unart – so viele vortrefliche liebe Freunde fragen, wollen wißen was Lenz macht – Kann weiter nichts drauf antworten als – ich weiß nichts – Liederlicher Teufel entweder Du liegst an Zaubrer Göthes Busen sinnlos in süßen Phantasien verwickelt und verstrickt – denkst im Wiegen und Liegen und Vergnügen aller Welt Freunde zum Guckguck hin – oder eine listige Hexe mit
grün
schwarzen
dämmernden
Augen und einem erwärmenden seeligen
Madonna
Blick, da für sie Gott seegnen wolle, hält meinen loßen Flattrer irgendwo gefangen – – aber närrisch daß ich eben Dir drum vorpredigen will – das arme Herz Bruder Lenz wie Kletten wirft sichs überall an – und ein Mädchen Gesicht – Gott sey bey uns bin auch seit Deiner Abreise wieder geschmolzen – ein Mädchen – o! ein Engel Lenz
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– ein Teufel von einem lieben Mädchen führt mich am Seile gefangen – schwärmen möcht ich gerne und arbeithen soll ich – o! Frühling und Liebe und jugend! – ich kreutzig und segne mich über und über und lese meinen Morgen- und Abend Seegen im Werther.
Apropo
mit dem National Teater wirds hier zu Stand kommen – habe einen Plan zur Anlegung einer Teater Schule machen müßen den ich Dir zuschicken will wenn Dus begehrst der Grund zu einem weitläuftigen prächtichen Schauspiel Hause wird in aller Hastigkeit gelegt diesen Sommer noch solls fertig seyn und zukünftigen January schon drauf gespielt werden.
Sag kannstu mir nicht
Adreße
geben wo ich indessen einige guthe brauchbare acteurs und actrißen anwerben könnte, je geschickter je beßer für uns – zum Exempel für folgende Rollen

Tabelle

Mannspersohnen
Frauenzimmer

Erster Liebhaber
Erste Liebhabrin

Bediente
Subrette

Vater
Mutter.

Zweiter Liebhaber

oncle.


Da ich den Auftrag vom Hofe habe, würd ich gleich mit ihnen unterhandlen können, könnte mich auch dabey um so viel sichrer
sagen
einlaßen
, da
ich
immer Deine Auswahl hierin die beste seyn wird – ein jeder der sich für hier
her
anwerben läßt soll nicht allein seine rechnung in ansehung der Besoldung finden, sondern auch, darauf hab ich in meinem Plane Hauptsächlich loßgedrungen, erhält einen rang, der ihm bey einer guten Lebensarth erlaubt, die besten Gesellschaften zu besuchen.
Ich bitt Dich drum wenn Du kannst lieber sey nicht nachläßig – arbeithe mit es geht ja für die gemeine Sache – Schreib mir gleich wenn Du mir einige Schauspieler ausfündig gemacht die sich für mich schicken, daß ich mit Dir gleich unterhandle, oder sag ihnen daß sie mir selbst schreiben
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– findet noch Auswahl statt lieber Lenz so schicke mir diejenige, die am wenigsten Manier
an sich
angenommen wenn
Sie
Ihnen
nur Feuer und natürliche Wärme vom Himmels Papa im Busen angezündet ist –
An Eckhoff schreib ich so eben auch.
Den anticken Saal hastu doch der Zeit nicht vergeßen Lieber – Du bist zu ehrlich und ich traue Dir viel zu viel Gewißen zu, als daß Du nicht manches Stündchen meinem
L
 
armen
Laocon
meiner lieben Niobe und meinem
arme
guten Glatiator widmen solltest – Sie sind mir gar zu lieb und ich könnte Dir drum feind werden wenn ich je so was von Dir erführe – pfuy das wär auch zu undankbar für einen Lenz der süßen Augen Blicke so zu vergessen, eher solltestu ein hundert von dem
viel tausend
Grüßen und Küßen an meine Liebe Wieland und Göthe vergeßen die ich Dir mitgegeben und beym Himmel das ist doch arg genug
Frid.
Müller
Provenienz
Frankfurt/Main, Freies Deutsches Hochstift, Nr. 569.