Leipzig, den 26. May 1776.
Der Mann, durch welchen Sie diesen Brief eigenhändig, oder durch Uebersendung erhalten, bürgt mir für Ihre gute Aufnahme. Göthe ist mir sehr lieb, und dazu mein Freund; daß Ers von Ihnen, u. Sies von ihm sind, weis ich auch: allso mache ich auch auf Ihre Freundschaft Anspruch, und diese hoffe ich, werden Sie mir nicht versagen. Unser lieber Göthe mag Ihnen sagen, ws an meinem Herzen sit; auf diesen berufe ich mich, denn er hat mich doch ein wenig kennen lernen. Ich wünschte persönlich mit Ihnen Freundschaft errichten zu können; dann glaub’ ich sollten Sie mein Freund noch leichter werden. Bürger ists auch geworden, und das muß ein eben so vortreflicher Mann von Herzen, wie von Genie seyn.
2
Zugleich bin ich so frey, Sie um etwas zu bitten, aber Sie dürfen nicht glauben, daß ich dieser Bitte wegen, Ihre Freundschaft wünsche. Ob Ihnen einige kleine u. grosse Produkte meiner Arbeit zu Gesicht gekommen, thut nichts zur Sache; aber ich gebe gegenwärtig eine Art von periodischer Schrift heraus, die weder in Absicht der Theile noch der Zeit, gewisse Bestimmung hat; soviel kann ich Ihnen sagen, daß ich sie wenigstns so gut zu machen suchen werde, als möglich. Bürger schickt mir etwas zu, und unsern theuren Göthen hab’ ich auch drum gebeten. Nun hätte ich freylich auch gern etwas von Ihnen, es sey was es wolle Wollten Sie mir wol was schicken? – Aber lieb wäre mirs, wenn ich noch etwas zum dem 1. Theil haben könnte.
Ich halte Sie für gut, drum wünsche ich Ihre Freundschaft; und ob ich sie in diesem Falle verdiene, darum fragen Sie Göthen. Empfehlen Sie mich doch allen Ihren Freunden, und werden Sie vorzüglich der Meinige.
Magister Becker,
wohnhaft im Schloßgarten bey
wohnhaft im Schloßgarten bey
Madame Blanchard.
Vergeßen Sie mir Ihre
Adresse
nicht.