Berka, Anfang Juli 1776
Entwurf
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Jakob Michael Reinhold Lenz
Henriette von Oberkirch geb. Waldner von Freundstein (Straßburg)
LKB
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Voila Madame! la suite du poëme de Mr. Wieland que je prens la liberté de Vous presenter moi même pour Vous epargner l’embarras de lui en dire quelque chose de joli par complaisance. Plut a dieu que Vous eussiez assez de confiance en moi de m’adresser ce que Vous pourriez encore trouver a dire sur la fin de ce poëme, je ne manquerois certainement pas d’en user avec la plus religieuse discretion.
Mon ami Goethe dans son nouvel emploi se trouve tellement surchargé d’occupations qu’il ne peut pas même profiter de la maniere gracieuse dont Vous vous etes ressouvenue de lui. Il vous en fait ses très humbles
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complimens en attendant qu’il soit d’humeur de Vous communiquer quelque nouvelle production de sa veine. J’ajoute ici la copie d’un portrait de l’aimable Turque dont le sort Vous a tant interessé dans Stella. Elle est enterrée a Erfort a coté de son epoux le Baron de Gleichen et de sa femme.
Je ne manquerois pas d’ajoindre ici ce que de litterature Allemande me paroitroit digne de Vos attentions mais malheuresement pour Messieurs
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les libraires de cette foire je n’en ai pu rien trouver. Aussi ce n’est que la lecture Angloise qui actuellement est en vogue a notre Cour. Reellement j’ai fait cette observation que cette langue donne beaucoup moins de peine aux dames a apprendre qu’on ne s’imagine, surtout a celles qui possedent l’Allemand et le François dont elle est un composé.

Mons. Lavater m’a envoyé le premier essay de Votre Silhouette gravée dont je suis mieux satisfait que de celle que Mlle Koenig a eu la bonté de m’envoyer. Cependant je vois qu’aucun artiste ne viendra pas a bout d’exprimer ces traits qui a la verité ne sont que pour la pensée.
Provenienz
Riga, Latvijas Akadēmiskā Bibliotekā, Ms. 1113, F. 25, V. 33, Nr. 3. Entwurf.
Übersetzung
Hier, Madame! ist nun die Fortsetzung des Gedichts von Herrn Wieland. Ich nehme mir die Freiheit, sie Ihnen selbst vorzulegen, um Sie nicht in die Verlegenheit zu bringen, ihm aus Gefälligkeit etwas Nettes sagen zu müssen. Gott gebe, dass Sie genug Vertrauen zu mir haben, mir mitzuteilen, was Sie über das Ende dieses Gedichts zu sagen haben, ich würde sicherlich nur mit klösterlicher Diskretion davon Gebrauch machen.
Mein Freund Goethe wird bei seiner neuen Anstellung so sehr mit Beschäftigungen überladen, dass er sich nicht einmal die anmutige Art zunutze machen kann, mit der Sie sich an ihn erinnert haben. Er macht Ihnen stattdessen seine ergebensten Komplimente und wartet auf die rechte Stimmung, um Ihnen irgendein neues Erzeugnis aus seiner Feder zukommen zu lassen. Ich füge die Abschrift eines Porträts der liebenswerten Türkin bei, deren Schicksal in der Stella Sie so sehr interessiert hat. Sie liegt neben ihrem Gemahl, dem Graf von Gleichen, und seiner Frau in Erfurt begraben.
Ich würde hier gerne etwas aus der deutschen Literatur beifügen, das mir Ihrer Aufmerksamkeit würdig erschiene, aber zum Unglück der Herren Buchhändler dieser Messe habe ich nichts finden können. Auch ist an unserem Hof gerade nur englische Lektüre in Mode. Ich habe tatsächlich die Beobachtung gemacht, dass diese Sprache für die Damen weniger schwer zu erlernen ist, als man sich vorstellt, vor allem für diejenigen, die das Deutsche und das Französische beherrschen, woraus das Englische zusammengesetzt ist.
Herr Lavater hat mir den ersten Versuch Ihres gestochenen Porträts geschickt, der mir besser gefällt als derjenige, den mir Fräulein König gütigerweise zugesendet hat. Ich sehe jedoch, dass kein Künstler vermag, diese Züge wiederzugeben, die in Wahrheit nur für die Vorstellung sind.