Jamburg d. 30sten Jenner 80
Lieber Bruder!
Ganz wieder Versprechen bekommst Du schon itzt einen Brief. Wie wir unsere Reise angefangen, wirst Du von unserm Verwandten Lieutenant Breyer erfahren haben. So giengs auch weiter und wir sind wenigstens 25 mahl umgeschlagen und würden’s noch öfter seyn, wenn nicht mein Reisegefärth wie ein Herkules gearbeitet den Schlitten zu halten. Er bietet mir auch sein Haus in Petersbg. an, bis ich ein Quartier ausgemacht, denn zu den grossen Aubergen London Demuth p will er mir durchaus nicht rathen. Ich werde sehr wohl zur
Intrada
mit ihm berathen seyn; nichts destoweniger schmerzt michs, daß ich Frau Obristin nicht gesprochen und sie gebethen, mir die Adresse des Herrn Rittmeister Uckrainer, oder ihm meine zu geben, auf den Fall daß ich Igelströhms nicht mehr vor mir finde. Ich denke er würde mir in Ansehung des Cadettenkorps und anderer Sachen die ausser der Sphäre meines Condottieri liegen, vielen guten Rath haben geben
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können. Doch die Vorsicht wird alles selber lenken; erschöpft wie ich von der Reise bin, kann ich mein Vertrauen nur auf sie setzen. Kannst Du mir aber, wenn Herr Rittmeister U – – bald nachkäme, die Satisfaktion ihn in Petersburg noch
zu sprechen noch verschaffen, so wirst Du mir eine Freundschaft erweisen. Tausend Empfehlungen an alle theuren Freunde und Gönner, Frau Obristin Oldekops und Danksagungen ohne Zahl an Dein kostbares Weibgen; bis auf die nächste Zuschrift die ich unter Adresse des Herrn Brauers zu erhalten hoffe – – vielleicht mit Herrn Rittmeister Ukrainer, den ich sehr zu sehen mich sehne wie bis ins Grab
Dein treuer Bruder
J M R Lenz
J M R Lenz
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Herrn Herrn Oberpastor Lenz
Assessor des Consistoriums und Inspekter der Schulen
zu
Dörpat.