Ein gewisser Leichtsinn, der oft nah an Unbesonnenheit grenzt, ist eine Gabe, die die Natur für gut befunden hat mir besonders aufzuheben. Welchen Wert die hat, kann ich noch nicht bestimmen, aber mir ist sie bisher oft unentbehrliche Wohltat gewesen. Ich lege mich immer zu Bett, als ob ich den andern Morgen nicht aufstehen würde, und jedes Schicksal ist mir gleich. Sagen Sie mir, könnten Sie die Freundin eines solchen Menschen seyn? So viel muß ich Ihnen dabey sagen, daß mir andre Menschen, deren Wert ich erkannt habe, heilig sind. Mag auch das Leben noch so barocke Szenen mir vorbehalten, und überhaupt das Schicksal über mich ergehen lassen, was es wolle, diese angenehme Sensationen, und die Erinnerung derselben, kann es mir doch nicht nehmen, und das ist meine Genügsamkeit.
Ich muß mich doch auch ein wenig ausstreichen; was meynen Sie? Damit Sie wissen, was Sie von meinen Urteilen zu halten haben. So muß ich Ihnen denn sagen, daß ich nicht der einzige bin, der Erkundigungen nach Ihnen macht; vielleicht nicht alle aus dem Motiv; indessen wer kann Motive beurtheilen. Die Erscheinung einer Dame von Ihrem Range auf dem Pamaß, (die so viele andre Sachen zu thun hat,) mußte jedermann aufmerksam machen. Mich ärgerte nichts mehr, als – Gott weiß, daß ich die Warheit sage, – als die dummen Noten, die mich allemal bey den seligsten Stellen in meinem Gefühle unterbrachen, gerad als wenn einem kalt Wasser aufgeschüttet wird. Gleich fühlte ich, daß in den Noten die Verfasserin nicht war; einige dunkle Klätschereyen sausten mir um die Ohren, Sie hätten dem Umgange mit Wieland vieles zu danken; ich muß Ihnen aber zur Beruhigung sagen, daß alle diese Nachrichten von Frauenzimmern kamen, bey denen ich die Quelle leicht entdeckte. Verzeihen Sie mir! Auf den Punkt ist ein kleiner Neid auch manchmal bey edlen Personen Ihres Geschlechts sehr natürlich, und mir also gar nicht einmal auffallend; nur ärgerte mich’s, daß ich Niemand von meinem Geschlecht hörte, der gesunden Menschenverstand oder Edelmuth genug gehabt hätte, im Gegenteil zu behaupten: Wieland müsse Ihrem Umgange alles – alles vielleicht zu danken haben, was ihn schätzbar macht. Ich sagte noch neulich, (und das rechne ich mir nicht zum Verdienst an) einer Frau von Stande, die auch mit dem zweideutigen Tone von Ihrer Sternheim sprach: „Wieland könnte wohl viel Antheil daran haben“ sehr trocken, (ohne damals die geringste Nachricht zu haben,) ich hielte W. nimmermehr für fähig, in seinem ganzen Leben so feine moralische Schattierungen zu mahlen; In der That muß es jedem nur halb gesunden Auge auffallen, daß sein Pinsel viel zu grob dazu ist. Noch habe ich in einem Frauenzimmer-Briefe, (wo mit außerordentlichen Lobe von Ihrem äußern Betragen gesprochen wird) die seltsame Bemerkung gelesen, Wieland könne Sie wohl bey seiner Musarion in Gedanken gehabt haben. Das wußt’ ich wohl, daß er Ihnen unter dem Namen Danae, die Grazien dedizirt hatte. Mit allen dem hätten Sie von einem ganz andem Pinsel gemahlt werden sollen, wenn er Reitze der Seele zu malen verstanden hätte. Ein Rousseau – O geben Sie mir doch Schlüssel zum Verborgenen! Wie hat Wieland Sie kennen gelernt? Und war seine Empfindsamkeit für Sie mehr Prahlerey, als innere Rührung? Ich habe bisweilen wunderliche Ideen im Kopf, und bin nicht umsonst so aufdringend, so neugierig. Bedenken Sie, daß auch ich älter werden kann, und daß der Wunsch jeder gut meinenden Seele Erhörung verdient, in den Standpunkt gesetzt zu werden, hochgeschätzte Personen in ihrem
wahren
Lichte zu sehen. Auf meine Verschwiegenheit können Sie zählen; wenigstens die
Tugend hat mich meine Situation gelehrt, da ich als Vertrauter junger Herren gereiset, und vier Jahre mich bloß dadurch bey ihnen erhalten habe. Ich habe keine Maitresse, und keine Ergießungen des Herzens als vor Gott. Bisweilen auch an dem Busen meines Göthe, der nun freilich viel von mir weiß. Was könnt’ ich nicht in dem Fall! Rosalia!– Erlauben Sie mir diesen Namen! – Seyn Sie so gütig, und fahren fort. Ach welchen Tag, welche Sonne Sie in diesem Herzen ausbreiten. – Rosalia!