Vermerk der Abschrift: Der Anfang dieses Briefes betrifft eine Erzählung der Fr. v. L. R., „Der weibliche
Werther“ die Lenz handschriftlich erhalten hatte.
– – Indessen deucht mich, ist doch die Natur der meisten Leidenschaften gewöhnlicher Seelen, nur ein vermischtes Gewebe von Eitelkeit und Gefühl des Werths im Gegenstande. Und ich kann doch antworten, dieser Mensch liebt – aber eigennützig. Ich unterscheide ihn von dem hartherzigen M., der bloß aus Eitelkeit, geliebt zu werden wünschte. Dieser wünscht bloß zu erfahren, ob und wie das Herz empfinde, um es lieben zu können. Freilich bleibt’s unredlich. –
Ach! gnädige Frau! Wie oft liebte ich ohne Hoffnung! Wie oft mit der Hoffnung, und immer unglücklich! Meine gefährlichsten Bekanntschaften sind allezeit mit den liebenswürdigsten Personen Ihres Geschlechts gewesen. Jede neue Freundin kostet mich einen Theil meines Lebens. Doch kenn’ ich keinen glücklichem Tod. Kenne sonst kein Glück auf dieser Altagswelt.
Was aber meines Herzens Geheimniß betrifft, so wird es mit mir begraben werden. Verzeihen Sie meine Offenherzigkeit und meine Discretion. Oder vielmehr, lassen Sie diesen schwachen Augenblick Niemanden bekannt von mir werden.
Ich habe von Herrn
Huber
verschiedene kleine Umstände erfahren, die mir Ihr Bild viel vollkommener auszeichneten. Wenn es keine unverzeihbare Dreustigkeit ist, einige Züge Ihrer ersten Jugendjahre in dem Hause des Grafen – sodann Ihrer ersten und zweiten Liebe, mir aus zu bitten – Gnädige Frau! diese Gewogenheit wäre unschätzbar! Ich schwöre Ihnen ewige Verschwiegenheit, wenn Sie sie fodern, doch weiß ich, Sie verlangen keinen Eid von einem, dem Sie Gefühl zutrauen.
Das Band womit Sie mich binden –
care laccie, amate pene
– mein Vaterland! Was werde ich in dir verlassen müssen?
Sie haben Familie. Dürfte ich mir ein kleines Portrait davon ausbitten? Warum erlaubt mir mein Schicksal doch nicht, Sie in dieser liebenswürdigen Gruppe zu sehen? Das Portrait Ihres Gemahls habe ich in der Sternheim gefunden; eine Freundin gab mir den Schlüssel. Auch hat er das Bild seines Geistes in den Briefen über das Mönchswesen, für mich von einer Seite abgedruckt, die mich ihn ewig wird verehren machen.
Meine Eltern sind – ob böse auf mich, oder bloß kaltsinnig – genug seit mehr als sechs Monaten schweigen sie mir. Meiner Mutter hab’ ich alle mein Phlegma – mein ganzes Glück – meinem Vater alle mein Feuer – mein ganzes Unglück – zu danken. Beide verehre ich als in ihrer Sphäre die würdigsten Menschen, die je gelebt haben. Beide hab’ ich Armer beleidiget – muß sie beleidigen.
Ich schreibe an einer Schulmeisterchrie in Knittelversen, in einer neuen Monatsschrift, die unter der Aufsicht des Hrn
. Boje
in Göttingen,
herauskömmt. Meine Soldaten liegen in Herder’s
Händen. Es kömmt eine Gräfin La Roche drin vor, der ich etwas von Ihrem Charakter zu geben versucht habe, wie ich ihn aus Ihren Schriften und Briefen kenne.